Vor kurzem wurde mir über einen Messenger-Verteiler der Crowdfunding-Aufruf von PichangaFem FC, einem feministischen Frauen*-Fußballteam aus Neukölln (–> HIER DER TEAM-AUFTRITT AUF INSTAGRAM), weitergeleitet, die Geld für die eigenen Reisekosten zu einem Freundschafts-Auswärtsspiel gegen ein Frauen*-Team des Vatikans im Juni sammelt. Ich muss sagen, dass ich auf den ersten Blick sehr überrascht war, denn wer fährt freiwillig in den Vatikan, um da zu bolzen? 😉
Die Fragen hörten auch beim zweiten drüber Nachdenken nicht auf: legitimiert es nicht konservative Akteure wie den Vatikan, wenn mensch gegen diese Fußball spielt? Und ist es nicht ein harter Widerspruch, als feministische Akteurin aus Berlin gegen den Vatikan anzutreten, wenn dieser doch feministische Selbstbestimmungsrechte wie das Recht auf Abtreibung und Gleichberechtigungsansprüche im Hinblick auf die sexuelle Orientierung und Identität offensichtlich mit Füßen tritt?
Heimlich fragte ich mich zudem, ob bei dem Neuköllner-Team nicht doch einige tiefgläubige Christinnen mitspielen, die das Duell gegen das Frauen*-Team vom Vatikan primär deshalb bestreiten wollen, um die „internationale christliche Zusammenarbeit“ unter dem Deckmantel des Sports voranzutreiben ;-).
Ich habe diese Fragen in kurzer Form an die Person geschickt, die den Crowdfunding-Aufruf im Messenger-Verteiler weitergeleitet hatte, und bekam eine zügige Antwort, die wie die längere Crowdfunding Mail, die bereits vorlag, verdeutlichte, dass sich die Pichangas intern ebenfalls kritisch mit der Einladung und den damit einhergehenden Implikationen auseinandergesetzt hatten.
„Wir sind eine extrem diverse Gruppe mit starken Menschen, deren Herkünfte und Identitäten sehr verschieden sind. Viele haben familiäre Wurzeln in Lateinamerika, andere in den USA oder eben in Deutschland. Wir haben ein klares antirassistisches und queer-feministisches Bekenntnis und es spielen z.B. immer wieder auch Transpersonen unter uns. [Auch sind viele] in unserer Gruppe von Diskriminierung betroffen, sind politisch nicht repräsentiert und haben besondere Herausforderungen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Ausgerechnet unsere bunte Truppe wurde nun von einem befreundeten Berliner Fußballverein eingeladen, im Juni in Rom gegen die Frauen-Nationalmannschaft des Vatikans zu spielen. Gerade weil wir ein sehr diverses, internationales und politisch interessiertes Team sind, war und ist es aufgrund der Positionen des Vatikans unter uns kontrovers, ob wir die Einladung annehmen sollten. Zwölf von uns haben sich dafür entschieden, da wir für positiv halten, dass der Vatikan überhaupt eine Frauenmannschaft hat und wir vorziehen, unsere Werte und unsere Diversität auf dem Platz zu zeigen.“.
Die Antwort auf meine Fragen lautete also internationalistische-queerfeministische Solidarität. Und darin der Mut zur Differenzierung, also „den Vatikan“ nicht als konservative, homogene Einheit zu betrachten, sondern als umkämpften politischen Raum, in dem progressive Akteurinnen wie das dortigen Frauen*-Fußball-Team in aller Ambivalenz und wahrscheinlich auch Differenz unterstützt werden können.
Da ich beides sehr überzeugend fand, hab ich mich entschlossen, im Sinne des „you never walk alone“ des FC St. Pauli selbst das Crowdfunding von PichangaFem durch Verbreitung des Crowdfunding Aufrufes hier zu unterstützen. Ihr könnt das auch machen, entweder indem ihr hier auf der Crowdfunding-Seite [–> LINK] direkt Geld spendet oder indem ihr den Crowdfunding Aufruf selbst weiterverbreitet. Momentan (Stand 22.5.23) sind 5.169 Euro von angestrebten 8.000 Euro zusammen – ich hoffe, der Rest findet sich bis Anfang Juni ;-).