Linke Debatte um ein AFD-Verbot

Bereits seit mehreren Monaten gärt in linken Zusammenhängen die Debatte um die linke Forderung nach einem staatlichen Verbot der AfD. Nach den jüngsten Veröffentlichungen von Correctiv über ein “Geheimtreffen” von rechten und rechtskonservativen Politikern, Neonazis und rechten Unternehmer*innen im November 2023, dass sich mit einer möglichen “Remigration”, also Deportation von rassifizierten Menschen beschäftigte [–> BERICHT], sind in Hamburg und Berlin nun spontan erste Mobilisierungen für ein AfD-Verbot losgegangen.

Ich selbst habe Anfang der Woche eine Diskussion zum Afd-Verbot und bin etwas zwiegespalten. Was denkt ihr dazu? Seid ihr dafür? Dagegen?

Meine bisherige PRO/CONTRA-Liste

CONTRA AFD-VERBOT (ich fang damit an, weil diese Position am Anfang des Reflexionsprozesses meine Meinung war):

1.) Die AfD im jetzigen Stadium, also mit ca. 30-40 Prozent in einer Reihe von Bundesländern, zu verbieten, wird wahrscheinlich als antidemokratischer Akt von jenen interpretiert, die AfD wählen oder mit dieser sympathisieren. Im Kern wird es das vermeintlich anti-hierarchische rechte Empowerment von Teilen der Bevölkerung gegen “die Eliten / die da oben” durch rechte und rechtskonservative Politik und Ansprachen bestätigen. Dieses wird bei vielen mindestens zu einer Erosion demokratischer Partizipation und Verfahren führen.

2.) Es gibt die Sorge um eine harte, evtl auch gewaltsame politische Eskalation im Falle eines AfD-Verbots, weil dann die parlamentarische Einhegung rechter und rechtskonservativer Milieus nicht mehr gegeben ist

3.) Die Geschichte der Parteienverbote in Deutschland umfasst auch das Verbot linker Parteien, beginnend mit dem KPD-Verbot in den 1950ern in der BRD. Wenn die AfD verboten wird, dann auf der Grundlage der Extremismustheorie und einer bestimmten liberal-zentristischen, am Status Quo orientierten Interpretation der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO): “das Hufeisen”. Dieses kann dann auch weiterhin gegen linke Parteien eingesetzt werden.

4.) Aus Bewegungsperspektive kann der primäre Kampf nicht für ein Verbotsverfahren sein, sondern für die Rückgewinnung linker Hegemonie in jenen gesellschaftlichen Zonen, die momentan von rechter Hegemonie dominiert werden. Der “Kampf um die Köpfe” wird auch bei einem gelungenen Verbotsverfahren geführt werden müssen.

PRO AFD-VERBOT

1.) Wenn es den Versuch gegen soll, die AfD mit legal-rechtsstaatlichen Mitteln zu stoppen, indem sie staatlich verboten wird, dann ist nach den correctiv-Veröffentlichungen wohl jetzt der Zeitpunkt, dieses zu pushen. Politisch schlimmer kann es auf der Absichtsebene nicht werden, wahltaktisch besser wahrscheinlich unter den gegeben Kräfteverhältnissen auch nicht.

2.) Das rechtsradikale Wirken der AfD und ihr gesellschaftlicher Resonanzboden stellen eine unmittelbare Bedrohung und Stigmatisierung von rassifizierten Leuten dar. Der permanente Rassismus, und die nun von allen Parteien außer der Linkspartei betriebene Hetze gegen Migrant*innen in der Migrationspolitik, und schließlich menschenrechtswidrige Deportationsphantasien dürfen nicht zum alltäglichen Standard werden, egal wie. Kein AfD-Verbot zu fordern kann als Akt der Entsolidarisierung mit rassifizierten Milieus verstanden werden.

3.) Deutsche Geschichte: die AfD steht in diesem Jahr vor 3 Wahlsiegen bei den Landtagswahlen und einem zweiten platz bei der Europawahl – und damit kurz vor einer Regierungsbeteiligung, wenn nicht sogar der Führung einer Mitte-Rechts-Koalition, wenn sich willige Bündnispartner*innen finden. Auch wenn ich historische Vergleiche zu 1933 und den Ermächtigungsgesetzen schräg finde, weil eigene Zeit und Akteurssetting, kann sich eine Pro-Verbots-Position doch auf die Fahne schreiben, alles mögliche vor einem Eintritt der AFD in Regierungspolitik getan zu haben, was momentan geht.

Soweit meine kurze Auflistung.