Monthly Archives: August 2023

Staatliche Repression und Überwachung #3

Innere Sicherheit in der BRD: Kriminalitätskonstruktionen im TV

Regina Schilling hat unter dem Titel “Diese Sendung ist kein Spiel. Die unheimliche Welt des Eduard Zimmermann” für das ZDF eine sehr sehenswerte 90-minütige Doku über die TV-Sendung “Aktenzeichen XY” produziert, die in der BRD über lange Zeit eine wichtige Referenz für den Diskurs über Innere Sicherheit war.

Die neu produzierte Doku hinterfragt anhand der ausgestrahlten TV-Fälle die Vorstellungen von Innerer Sicherheit ab den 1960er Jahren in der BRD: was, wer oder welche Entwicklungen haben die Bürger*innen und insbesondere Frauen laut der XY-Sendung besonders bedroht? Wie konnten sich Bürger*innen demzufolge “selber schützen”? Und was waren tendenziell “selbstgefährdene Handlungen” – insbesondere von Frauen – die diese Sendung unterschwellig anprangerte? Doku bitte gerne schauen [–> LINK ZUR SENDUNG]

Partnerschaftliche Gewalt gegen Frauen in Partnerschaften

Während die konservative Debatte um sexualisierte Gewalt ihren Fokus auf sexualisierte Übergriffe im öffentlichen Raum und “unbekannte”, meist rassifizierte “Täter” legt, die von den Sicherheitsbehörden verfolgt werden müssten, verschwindet so partnerschaftliche sexualisierte Gewalt oft unter dem Deckmantel des “Privaten”. Dabei sprechen allein die in Deutschland gemeldeten Fälle partnerschaftlicher patriarchaler Gewalt eine deutliche andere Sprache.

Im Jahr 2022 wurden laut Zeit Online 157.000 Fälle partnerschaftlicher Gewalt gemeldet: 40 Prozent von Ex-Partner*innen, 60 Prozent von aktuellen Partner*innen. Die patriarchale Dimension ist dabei eindeutig: die Opfer waren zu 80% Frauen, die Tatverdächtigen zu 78% Männer.

Die führt zu folgenden gegenwärtigen Verhältnissen in Deutschland: “Alle 45 Minuten wird statistisch gesehen in Deutschland eine Frau Opfer vollendeter oder versuchter gefährlicher Körperverletzung durch Partnerschaftsgewalt. Jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch Gewalt ihres Partners oder Ex-Partners. Diese offiziellen Zahlen und Statistiken zeigen jedoch nur einen Ausschnitt. Expertinnen gehen davon aus, dass das sogenannte Dunkelfeld bei häuslicher Gewalt um ein Vielfaches größer ist” [–> LINK ZUM ARTIKEL]

Rechte Strukturen in der Polizei der BRD

Anlässlich der immer wiederkehrenden vermeintlichen “rechten Einzelfälle” in der deutschen Polizei lohnt es sich, eine vertieften Blick auf die Geschichte der Polizei in Deutschland seit Anfang des 20. Jahrhunderts zu werfen, also in Weimar, dem deutschen Nationalsozialismus und der BRD der Nachkriegsperiode. Der Politikwissenschaftler Wolf-Dieter Narr widmet sich der Frage autoritärer Bedingungen und rechter Strukturen in der Polizei in einem für die Zeitschrift “CILIP – Bürgerrechte und Polizei” verfassten Artikel von 2009 mit dem Titel “Dunkle Vergangenheit, lichte Gegenwart – Vergangenheitspolitik der bundesdeutschen Polizei”.

Während die Bundesregierung 2001 noch auf einem fundamentalen Bruch zwischen NS-Polizei und BRD-Polizei beharrte, und behauptete: „Das BKA hat keine nationalsozialistische Vergangenheit. Es ist erst im Jahr 1951 gegründet worden” – zeichnet Narr sehr anschaulich die strukturellen, weltanschaulichen und insbesondere beim Aufbau der deutschen Polizei und Geheimdiensten nach 1945 fortbestehenden personellen Kontinuitäten zum NS-Sicherheitsapparat nach. [–> LINK ZUM ARTIKEL]

Was ist Abolitionismus? Part I

Seit ein paar Jahren wird das Konzept des Abolitionismus immer prominenter, sowohl als Bezugspunkt für anti-repressive Bewegungen als auch wissenschaftliche Debatten. Der Deutschlandfunk hat jetzt eine relativ gut zu lesende Zusammenfassung veröffentlicht, die sich mit der antikolonialen Begriffsgeschichte seit Ende des 19. Jahrhunderts bis zur heutigen Infragestellung des rassistisch geprägten Gefängnissystems beschäftigt. Auch wenn bei mir viele Fragen bleiben, finde ich die grundsätzliche Stoßrichtung des Abolitionismus und seine Infragestellens eines Systems des Strafens und Herrschens in einer hochgradig vermachteten Gesellschaft, die jedoch an sich meist nicht hinterfragt wird, sehr gut. [–> ZUSAMMENFASSUNG]

Was ist Abolitionismus? Part II

In diesem Sinne hat die Sozialwissenschaftlerin Vanessa E. Thompson als prominente Vertreterin des Abolitionismus-Ansatzes auch ein lesenswertes und prägnantes Interview gegeben, das auf zentrale, immer wiederkehrende Fragen an den politischen Ansatz des Abolitionismus antwortet [–> HIER].

Ich habe das Ende des Interviews stark gekürzt und kopiere es als Zitat hier rein:

Wie würden Konflikte in einer Gesellschaft ohne Polizei gelöst?

Dem Abolitionismus geht es nicht einzig um die Abschaffung des Bestehenden, sondern vor allem um die Schaffung von etwas anderem. Für die aktuelle Situation gilt: Gefängnisse, Grenzen, Polizei müssen weg, aber auch die Produktionsform, die auf diese Systeme angewiesen ist.

Aber für einen neuen Umgang mit Konflikten und Gewalt braucht es den erwähnten Aufbau sozialer, idealerweise basisdemokratischer Infrastruktur. […] Trotz allem würde es auch in einer abolitionistischen Welt noch ein gewisses Mass an Gewalt geben.

Wie würde mit dieser Gewalt umgegangen?

Grundsätzlich zeigt sich, dass nichtpolizeiliche Methoden viel besser sind, um Menschen aus Gewaltmilieus herauszuholen. […] Es geht darum, Gewaltspiralen anzugehen, anstatt sie einfach weiterzuführen. Das sind langwierige Prozesse, die auch mit Scheitern verbunden sein können. Solche Praktiken werden aber weltweit schon vielerorts gelebt – zum Beispiel mit indigenen Ansätzen, auf die sich Abolitionist:innen beziehen. Diese können die Art und Weise, wie wir gesellschaftlich zusammenleben, radikal transformieren.”

Linke Medienkiste #41

Antifaschismus

An den letzten zwei Wochenenden war der Parteitag der AfD in Magdeburg. Jetzt haben sich mit dem Auschwitz-Komitee, dem Comité International de Dachau und der Lagergemeinschaft Dachau Opferverbände des deutschen Nationalsozialismus öffentlich zu Wort gemeldet, und sich bestürzt über die weitere Rechtsradikalisierung der AfD und ihre steigenden Sympathiewerte in der deutschen Bevölkerung (zuletzt 21% bundesweit) gezeigt:

“Das sei für Überlebende der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager zutiefst verstörend und hochgradig alarmierend, hat Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Auschwitzkomitees, epd zufolge am Freitag in Berlin erklärt. Die AfD, so Heubner, habe sich endgültig aus der “bürgerlichen Tarnungszone” verabschiedet und verfolge eine “unverhohlen rechtsextreme und völkische Agenda”.” [–> LINK ZUM ARTIKEL]

Digitale kapitalistische Überwachung

Wie netzpolitik.org berichtet, hat der Videotelefonie-Dienst Zoom im Mai 2023 seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen geändert, und sich die weltweiten Rechte an allen Daten gesichert, die mit ihren Videoanrufen verbunden sind. Diese beträfe “alle „Telemetriedaten, Produktnutzungsdaten, Diagnosedaten und ähnliche Inhalte oder Daten, die Zoom in Verbindung mit Ihrer Nutzung bzw. der Nutzung der Dienste oder Software durch Ihre Endbenutzer erhebt oder generiert“.

Wozu das? Zoom hat schon seit längerem eine Profitkrise, und wird jetzt versuchen, diese Daten kommerziell weiterzuverwerten – insbesondere “um damit Anwendungen der sogenannten Künstlichen Intelligenz (KI) zu trainieren. Dies führt das Unternehmen im gleichen AGB-Abschnitt ausdrücklich aus.”. Eine vertrauliche Kommunikation ist damit nicht mehr gesichert, wie u.a. bereits von Anwält*innen öffentlich bestätigt wurde. [–> LINK ZUM ARTIKEL]

Feminismus und Patriarchat

Bereits mehrmals wurde mir der Kinofilm “Geschlechterkampf. Das Ende des Patriarchats”, empfohlen, in dem es am Beispiel einer Schauspielerin Anfang 40 um patriarchale Rollenbilder und Gesellschaftsstrukturen und feministischen Widerstand dagegen geht. U.a. mit Auftritten von Teresa Bücker, Michaela Dudley und Lady Bitch Ray. Den Trailer findet ihr hier drunter, eine geschriebene Filmzusammenfassung findet Ihr hier [–> LINK]

Migration und Festung Europa

DIe ARD-Sendung Monitor hat den Tod von mehreren hunderten Geflüchteten auf einem Boot vor der griechischen Küsten im Juni 2023 rekonstruiert. Unterlassene Hilfeleistung durch europäische Polizei- und Seenotrettungsbehörden und rücksichtslose und bewusste sog. “push-backs” (Zurückdrängen aufs offene Meer, weg von Küsten) durch die griechische Küstenwache – this is what Europe looks like.

Oder in den Worten der Monitor-Redation über ihren redaktionellen Beitrag: “Wir haben mit Überlebenden gesprochen, Positionsdaten von Schiffen und Vernehmungsprotokolle ausgewertet. Dabei wird deutlich: Die Behörden haben viel Zeit verstreichen lassen bis sie dem sinkenden Boot zu Hilfe kamen. Sie haben Notrufe ignoriert und Rettung zu spät in Gang gesetzt. Die griechische Küstenwache könnte das Kentern am Ende sogar mit verursacht haben.”

Linke Medienkiste #40

Aufwachsen im Osten

Der MDR hat eine sehr sehenswerte, zweiteilige Doku (insgesamt 90 min) über das Aufwachsen im Osten nach der Wende produziert. Titel: “Generation Crash – Wir Ost-Millenials”. Aus der Auskündigung: “Wie war das Erwachsenwerden in Ostdeutschland in den Neunziger- und Nullerjahren? Mehrere Zeitgenossen erzählen ihre persönliche Geschichte zwischen rechter Gewalt aber auch neuen Freiräumen.”.

Einer der seltenen Beiträge zu Ost-Biographien, die für viele Wessi-Linke eigentlich Standard sein müsste, zu schauen – so wenig, wie über Ost-Sozialisierung im Alltag gesprochen wird. Dazu mit vielen subkulturellen Interviewpartner*innen, was mir den Einstieg zumindest erleichtert hat [–> LINK ZUR DOKU]

Fussball für Alle

Die Kommerzialisierung des Fussballs geht weiter, und die Preise für Pay-TV steigen rasant. Was als öffentliches Ereignis gestartet ist, ist nun auf Grund hoher Eintrittspreise ein Live-Event für die Mittelklasse: Fussball. Wer sich diesen live nicht leisten konnte, konnte eine Zeit noch einen Pay-TV-Sender für zu Hause abonnieren oder in eine Kneipe gehen, und dort für den Preis von 1-2 Getränken ein Spiel schauen. Jetzt steigen aber auch dort die Preise, so dass Fussball-Kneipen dieses Angebot kaum noch machen können. Die Zeitschrift “11 Freunde” hat dazu einen Kneipenwirt aus Bremen interviewt und nach den Gründen für diese Entwicklung gefragt:

Wer trägt Ihrer Mei­nung nach die Ver­ant­wor­tung für diese Ent­wick­lung?
Ich glaube, das ist ein biss­chen wie mit der Wirt­schaft in Zeiten des Kli­ma­wan­dels. Da gibt es viele Betei­ligte, die am bis­he­rigen System so gut ver­dienen, dass es jede Trans­for­ma­tion fast unmög­lich macht. In Bezug auf den Pro­fi­fuß­ball in aller­erster Linie natür­lich die Ver­bände FIFA, UEFA und die DFL.” [–> LINK ZUM GANZEN INTERVIEW]

Kapitalismus und Klimakrise

Von mehreren Seiten schon empfohlen: das “jung und naiv”-Interview mit dem Wirtschaftshistoriker Adam Tooze über Kapitalismus und Klimakrise. Wirklich sehr empfehlenswert, weil er in der Lage ist, sprachlich und inhaltlich Dinge verständlich runterzubrechen und super zu erklären. Leider dauern die “jung und naiv”-Videos immer ewig, das Interview mit Tooze über 3h, aber es reicht ja, durch das Video zu skippen, die für einen sinnvollen Abschnitte rauszubrechen und zu schauen.

#metoo: Tatort Universität

Olivia Samnick und Friederike Röhreke haben für das ZDF eine sehenswerte Doku (29 min) über sexuelle Belästigungen und Abhängigkeiten im deutschen Universitätssystem produziert. Anlass: “Erniedrigungen, Mobbing, sexualisierte Übergriffe – im Wissenschaftsbetrieb häufen sich Fälle von Machtmissbrauch.”. Der Film interviewt Betroffene und politisch Verantwortliche und sucht nach Lösungen für diese unhaltbaren Zustände. [–> LINK ZUM FILM]