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Russland-Ukraine-Konflikt: friedenspolitische und anti-militaristische Stellungnahmen

Im folgenden einige lesenswerte Stellungnahmen von deutschen und internationalen friedenspolitischen und antimilitaristischen Gruppen zum gegenwärtigen Russland-Ukraine-Konflikt. Eine gesammelte Übersicht, die aktualisiert wird, findet Ihr hier [–> LINK].

“Erhöhte Bereitschaft der Atomstreitkräfte gefährdet den Weltfrieden. Russland und die NATO müssen Ersteinsatz von Atomwaffen offiziell ausschließen!”

Die Initiative IPPNV (Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkriegs – Ärzt*innen in sozialer Verantwortung) weist auf die besonders Gefahr einer atomaren Auseinandersetzung zwischen Russland und den NATO-Staaten hin und fordert eine sofortige De-Eskalationsstrategie beider Seiten. Die Folgen einer mit Atomwaffen geführten Auseinandersetzung seien dramatisch und in jedem Fall zu vermeiden:

“In einem Atomkrieg gibt es keine Gewinner. Bereits ein einziger Sprengkopf, beispielsweise gegen Berlin eingesetzt, würde zu über 100 000 Toten, über einer Million Verletzten und weiträumiger Verstrahlung führen.

Die gesundheitlichen Folgen eines Atomwaffeneinsatzes sind katastrophal und medizinisch nicht beherrschbar – unter anderem durch die radioaktive Strahlung, die Zerstörung medizinischer Infrastruktur und dem Tod von Gesundheitspersonal.

Die USA und Russland verfügen derzeit gemeinsam über mehr als 3.500 einsatzbereite Atomwaffen. In einem Atomkrieg zwischen Russland und der NATO mit dem Einsatz von vielen Atomwaffen wäre die ganze Welt betroffen; das Klima würde sich so stark verändern, dass eine Hungersnot für Milliarden von Menschen drohen würde.” [LINK ZUM BEITRAG]

“Es darf keinen Krieg geben!”

Auch in Russland haben sich friedenspolitische Kräfte in einer Bewegung formiert. Diese wendet sich gegen die militärische Eskalationsdynamik und setzt sich explizit von der russischen Regierung unter Präsident Putin ab, die ihres Erachtens ausschließlich Kriegspropaganda verbreitet und dabei verschweigt, dass ein Grossteil der Sanktionen gegen Russland primär die russische Zivilbevölkerung treffen werden:

“Niemand fragt die Bürger Russlands. Es findet keine öffentliche Diskussion statt. Das staatliche Fernsehen präsentiert nur eine Sichtweise, und zwar die der Kriegsbefürworter. Von ihnen sind direkte militärische Drohungen zu hören, Aggressionen und Hass gegen die Ukraine, Amerika und westliche Länder.

Am gefährlichsten ist jedoch, dass der Krieg als eine zulässige und unvermeidliche Entwicklung dargestellt wird. Die Menschen werden getäuscht und korrumpiert. Ihnen wird die Vorstellung eines heiligen Krieges mit dem Westen aufgezwungen, anstatt das Land zu entwickeln und den Lebensstandard der Bürger zu verbessern. Die Frage des Preises steht außer Frage, aber es sind die einfachen Menschen, die den Preis zahlen müssen – ein hoher und blutiger Preis.” [–> LINK]

“Feministischer Widerstand gegen den Krieg” 

Feministische Gruppen aus Russland haben einen Aufruf veröffentlicht, der sich deutlich gegen die außenpolitische Aggression Russlands stellt, den Zusammenhang von Patriarchat und Krieg herausstellt und vor erheblichen Repressionen gegen oppositionelle Kräfte in Russland warnt:

“Russland hat seinem Nachbarn den Krieg erklärt. Es hat der Ukraine das Recht auf Selbstbestimmung und jedwede Hoffnung auf ein friedliches Leben abgesprochen. Wir stellen fest – und das nicht zum ersten Mal – dass die russische Regierung seit acht Jahren Krieg führt. Der Krieg im Donbass ist eine Folge der illegalen Annexion der Krim. Wir sind der Ansicht, dass Russland und sein Präsident sich für das Schicksal der Menschen in Luhansk und Donezk nicht interessieren und dies auch nie getan haben und dass die Anerkennung beider als Republiken acht Jahre später nur ein Vorwand für den Einmarsch in die Ukraine unter dem Deckmantel der Befreiung war.

Als russische Bürgerinnen und Feministinnen verurteilen wir diesen Krieg. Feminismus als politische Kraft kann nicht auf der Seite eines Angriffskrieges und einer militärischen Besatzung stehen. Die feministische Bewegung in Russland kämpft für benachteiligte Gruppen und die Entwicklung einer gerechten, gleichberechtigten Gesellschaft, in der Gewalt und militärische Konflikte keinen Platz haben dürfen.” (–> LINK ZUM KOMPLETTEN AUFRUF]

“Frieden schaffen ohne Waffen. Militarisierung ist keine Solidarität” 

In seinen 10 Thesen zum Krieg in der Ukraine formuliert der ehemalige Linkspartei-Abgeordnete und Experte für Außen- und Sicherheitspolitik Jan van Aken eine deutliche Kritik an der Militarisierungsstrategie der deutschen Bundesregierung und warnt vor rassistischen Ressentiments gegen als “russisch” identifizierte Leute:

“1. Dieser Krieg ist in erster Linie Putins Krieg. Es ist nicht Russland , nicht die russische Bevölkerung, sondern eine kleine Machtelite in Moskau, von der dieser Krieg ausgeht. Es wäre fatal, wenn der alte westdeutsche Russenhass jetzt wieder Raum greift.

2. Auch wenn der jetzige Angriffskrieg ganz sicher nicht auf die elementaren Sicherheitsinteressen Russlands zurückzuführen ist, bleibt die Kritik an der NATO-Osterweiterung richtig. Die NATO ist und bleibt ein Kind des Kalten Krieges, sie hat im 21. Jahrhundert nichts zu suchen. Jede Erweiterung der NATO nach Osten wird auch langfristig eine kooperative Lösung in Europa mit Russland erschweren oder gar verhindern. […]

3. Die massive Aufrüstung der Bundeswehr mit dem 100-Milliarden-Euro-Paket führt eher in Richtung eines neuen Wettrüstens und Kalten Krieges.” [–> LINK ZUM ARTIKEL]

“Für eine sofortige friedliche Beilegung des bewaffneten Konflikts”

Die ukrainische pazifistische Bewegung hat sich in einem eigenen Aufruf zum Angriffskrieg Russlands positioniert. Die Bewegung betont dabei die unmittelbare Gefahr einer nuklearen Auseinandersetzung auf dem Staatsgebiet der Ukraine und mittelfristig die Notwendigkeit einer globalen Abrüstungsdynamik:

“Die Menschen in unserem Land und auf dem gesamten Planeten sind durch die nukleare Konfrontation zwischen den Zivilisationen in Ost und West in tödlicher Gefahr.

Wir müssen die Aufstockung der Truppen, die Anhäufung von Waffen und militärischer Ausrüstung in der und um die Ukraine herum sowie die irrsinnige Verschwendung von Steuergeldern für die Kriegsmaschinerie stoppen. Stattdessen müssen wir die akuten sozioökonomischen und ökologischen Probleme lösen. Wir müssen aufhören, den grausamen Launen von Militärkommandanten und Oligarchen nachzugeben, die vom Blutvergießen profitieren. […] Wir fordern weltweite Deeskalation und Abrüstung, die Auflösung von Militärbündnissen, die Abschaffung von Armeen und Grenzen, die die Menschen trennen.” [–> LINK ZUM AUFRUF]

“Kein Krieg in Europa und anderswo!”

Das Forum InformatikerInnen für den Frieden (FIfF) benennt in seiner Stellungnahme konkrete Forderungen zur Beendigung der Kriegshandlungen und weist besonders auf die Situation von Geflüchteten aus der Ukraine hin:

“Das FIfF fordert Präsident Putin und die Russische Föderation auf, die Aggression in der Ukraine sofort zu beenden. Wir fordern die russischen Truppen auf, alle laufenden Operationen sofort abzubrechen, sich hinter die ukrainisch-russische Grenze zurückzuziehen, die territoriale Integrität der souveränen Ukraine – inklusive der Krim – wieder herzustellen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Hilfe für die Kriegsopfer. Aufnahme von Flüchtenden aus Krisengebieten. Humanitäre Hilfe

Im Vordergrund unserer Gedanken müssen die Opfer der Aggression stehen: die ukrainische Bevölkerung. Sie leidet am meisten unter dem Konflikt. Wir stehen solidarisch an ihrer Seite und fordern die Regierungen Europas auf, schnell und unbürokratisch Hilfe zu leisten. Auch stehen wir an der Seite derer, die in Russland Widerstand gegen den Krieg leisten. Die Grenzen Europas dürfen für Flüchtende nicht geschlossen werden. Jede Abschottungspolitik spielt den Aggessoren in die Karten und zeigt, wie wenig Europa sich selbst an die UN-Charta und Menschenrechte hält.” [–> LINK]”

“Militarisierung darf keine Antwort auf Putins Krieg sein”

Die Initiative “Ohne Rüstung leben” hat eine Stellungnahme zum Angriffs Russlands auf die Ukraine und die Aufrüstungsbestrebungen in Deutschland verfasst. Die Initiative wendet sich gegen die gegenwärtig geplante Militarisierung und den Export von Waffen und versucht eine friedliche Konfliktlösung des gegenwärtigen Konfliktes und dessen Zeithorizont zu skizzieren:

“Es kann keine schnelle Lösung geben.

Wir teilen den Wunsch nach Frieden und einer schnellen Lösung für die Menschen in der Ukraine. Gleichzeitig jedoch ist uns bewusst, dass es keine schnelle Lösung für die tiefgreifenden Ursachen des bereits seit Jahren schwelenden Konfliktes zwischen Russland, der Ukraine und den NATO-Staaten geben kann.

Daher appellieren wir dringend an die deutsche Politik, besonnen zu bleiben und keine impulsgesteuerten Entscheidungen zu fällen. Der Blick in die Vergangenheit und auf andere bewaffnete Konflikte lehrt uns, dass mit militärischer Gewalt weder Leid gemindert wird, noch Menschenrechte geschützt oder Demokratie gefördert werden können.

Die Welt braucht dringend Verständigung und Zusammenarbeit auf Augenhöhe – allein um die Chance auf gemeinsame Lösungen für die Klimakrise, Pandemien und soziale Herausforderungen zu wahren. Hierfür müssen die Perspektiven aller Staaten ernstgenommen und einbezogen werden. Schon vor der Eskalation in der Ukraine litt die internationale Ordnung unter bewusster Provokation, Militarisierung und Konfrontation. Ein Mehr der falschen Medizin kann diese Krankheit nicht heilen!” [–> LINK]

Russland-Ukraine-Konflikt: Hintergrundinformationen

Vor mehr als zwei Wochen hat die russische Armee die Ukraine angegriffen. Für viele Beobachter*innen kam der Angriff unmittelbar überraschend – gleichzeitig fügt sich dieser jedoch in ein Konflikt-Setting von Russland und westlichen Bündnissen wie der NATO (Militär) und teilweise der Europäischen Union (primär wirtschaftlich) ein, das bereits seit längerem besteht. Hier zwei Hintergrundquellen:

Agressive Außenpolitik Russland unter Präsident Putin seit den 1990er Jahren

Diese ARTE-Doku schildert anschaulich die Außenpolitik Russlands unter Putin:

Expansive NATO-Politik in Osteuropa

Jürgen Wagner hat für die “Informationsstelle Militarisierung” (IMI) bereits im Januar 2002 einen Artikel zur Politik der NATO gegenüber Russlands geschrieben. Sein Fazit: “Schon lange erleben wir, wie zwei Machtblöcke scheinbar wie auf Autopilot aufeinander zusteuern. In der praktizierten Weise musste es früher oder später zu einer dramatischen Eskalation kommen, worunter nun vor allem die Menschen in der Ukraine zu leiden haben.  Lange war es dabei die NATO, die die aggressive Richtung vorgab, während Russland – ebenfalls teils mit harten Bandagen – nachzog. Nun ist Russland buchstäblich in die Offensive gegangen, was die Vorgeschichte aber nicht ungeschehen macht.” [–> LINK ZUM ARTIKEL]