Der Angriff der Hamas und die militärische Offensive der israelischen Armee – linke, israelische/jüdische Stellungnahmen

Der militärisch geplante und durchgeführte Angriff der Hamas auf Israel mit über 1.400 Todesopfern ist mittlerweile 19 Tage her, und die meisten öffentlich mit den Angriffen beschäftigten linken Leute sind immer noch dabei, den Schock zu verarbeiten und Positionen zu entwickeln oder eine weitere militärische Eskalation der politischen Situation durch bereits laufende Angriffe der israelischen Armee auf Gaza mit über 4.000 Todesopfern unmittelbar zu stoppen.

Nachdem ich unmittelbar nach den Hamas-Angriffen bereits eine erste Sammlung von Stellungnahmen online gestellt hatte [–> LINK], dokumentiere ich im folgenden neue Stellungnahmen, die ich für eine internationalistisch-solidarische Debatte zur aktuellen Situation weiterführend finde. Ohne dass ich dieses vorher so geplant hatte, stehen in dieser Sammlung inner-israelische und jüdische Stellungnahmen im Mittelpunkt.

Ausgangssituation: brutal, einschneidend und komplex

Der in Tel Aviv lebende israelische Autor Etkar Keret hat in einem Interview mit dem RBB darauf hingewiesen, dass es für ihn inakzeptabel ist, die Gräueltaten der Hamas so stark zu intellektualisieren, dass deren Brutalität quasi “wegerklärt” wird.

Gleichzeitig weist er darauf hin, dass die Anschläge für ihn in unterschiedlicher Form eine politische Zäsur darstellen, die in ihren komplexen Folgen erst einmal verarbeitet werden müsste. Es sei nicht die Zeit für schnelle, bürokratisch anmutende “Lösungen”, die meist den Zielen der politischen Rechten entsprächen, sondern die Zeit für eine solidarische Verarbeitung der politischen Ereignisse im Sinne eines “Weckrufes” seit dem 07. Oktober 2023.

Das ganze Interview mit Etkar Keret findet ihr hier [–> LINK].

Solidarische Unterstützung von Betroffenen und Verteidigung eines linken Humanismus

In ähnlicher Form hat der in Berlin lebende Autor und Journalist Hanno Hauenstein, der für unterschiedliche Tageszeitungen als Journalist aus Israel berichtet hatte, in einem sehr lesenswerten Beitrag für die linke Monatszeitschrift “Analyse und Kritik” kurz nach dem Angriff der Hamas daraufhin gewiesen, dass dieser Angriff ein massives Kriegsverbrechen darstellt und langfristige EInschnitte, Verlust und Traumatisierungen für die Betroffenen bedeutet.

Umso wichtiger sei daher zum einen deren solidarische Begleitung – zum anderen müsse eine globale Linke aktiv daran arbeiten, ihren Humanismus auch im Angesicht der Gräueltaten der Hamas und der permanenten Entrechtung der Palästinenser*innen nicht zu verlieren. .

Den gesamten Beitrag findet ihr hier [–> LINK]

Hamas-Angriff als zentraler Bezugspunkt einer neueren Nahost-Debatte

Der in Berlin lebende israelische Journalist und Forscher Yossi Bartal hat in einem lesenswerten Beitrag auf Twitter/X [–> GESAMTER BEITRAG] in 10 Thesen davor gewarnt, dass die neuere militärische Eskalation durch Hamas nach Jahren der israelisch-palästinensischen Versöhnungsarbeit in spaltende nationalistische Sackgassen führen könne. Dieser Tendenz müsse sich vehement entgegengestellt werden.

Gleichzeitig gäbe es aus linker Perspektive keinen Weg darum herum, eine Position politischer Trauer zu den Gräueltaten der Hamas zu entwickeln – selbst wenn diese von der politischen Rechten in Israel für die eigene militaristische Agenda genutzt werden könne – und auch wenn es einen seit Jahren innerisraelisch kritisierten, politischen Besatzungs- und Entrechtungskontext auf Seiten der Palästinenser gebe. Letzterer rechtfertige jedoch nicht die Massaker der Hamas in Israel:

Es sei daher die Aufgabe einer internationalistischen-solidarischen Linken, trotz des Schocks und der bereits erfolgten rechten Offensiven und politischen Polarisierungen auf beiden Seiten eine differenzierte Position zum gegenwärtigen Geschehen zu entwickeln:

Den auch ohne Twitter-Account vollständig einsehbaren Beitrag von Yossi Bartal findet ihr hier [–> LINK]

Retraumatisierungstendenzen und psychologische Kriegsführung durch Brutalität der Hamas-Angriffe

Die in Frankfurt am Main lebende jüdische Autorin Laura Cazés hat in einem lesenswerten X-Beitrag (leider nur auf Englisch) darauf hingewiesen, dass die Brutalität der Hamas Angriffe in der jüdischen community zu erheblichen Verunsicherungen und Ängsten geführt habe. Diese bestehen nicht nur darin, Sorge um die eigene aktuelle Sicherheit zu haben, sondern aktiviere eine Ebene der intergenerational weitergegebenen Holocaust-Erfahrung, die von Tod, Brutalität und emotionaler Kälte der deutschen Vernichtungspolitik gezeichnet sei.

Den vollständigen Beitrag von Laura Cazés findet ihr hier [–> LINK].

Israelische Innenpolitik als Bedingungskonstellation

Der israelische Historiker Moshed Zuckermann hat in einem lesenswerten Interview mit der Wochenzeitung WOZ unter dem Titel “Es bleibt nur der Friedensweg” vehement darauf hingewiesen, dass die israelische Politik gegenüber den Palästinensern seit Jahrzehnten keine ernsthafte Friedenspolitik sei, sondern von rechten Kräften bestimmt werde, deren Politik auf einem oberflächlichen “Sicherheitsfetisch” beruhe.

Dieser Fetisch bestehe darin, dass die israelische Rechte immer wieder auf mögliche Angriffsszenarien von Palästinenser*innen hinweise und damit einer kontinuierlichen Militarisierung das Wort rede, gleichzeitig aber Palästinenser*innen konsequent entrechte und selbst in den besetzten Gebieten siedele. Diese sorge im Ergebnis für eine permanente Unsicherheits- und Eskalationssituation [–> INTERVIEW].