Linke Positionierung gegen die rassistische These eines “importierten muslimischen Antisemitismus” in Deutschland

Community-übergreifender, linker, antifaschistischer Teilkonsens

Angesichts der momentanen anlaufenden, neuen Welle antimuslimischen Rassismus in Deutschland und der damit einhergehenden unsäglichen rassistischen Debatte um “importierten Antisemitismus” durch Muslime ist es aus meiner Sicht zentral, zu betonen, dass der Schutz jüdischen Lebens bereits jetzt ein plural verorteter, antifaschistischer Konsenspunkt von linken Gruppen und Einzelpersonen über die unterschiedlichen community- und Szene-Grenzen hinweg ist.

Dieser antifaschistische Konsens existiert schlicht bzw hat sich in Deutschland historisch herausgebildet – in Teilen der weiß-deutschen Bevölkerung wie in den linken Teilen jener migrantisierten und rassifizierten communities, die jetzt angetrieben vom Rechtsradikalismus der AfD und getragen vom bürgerlich-abgeschwächten Rechtspopulismus der Alt-Parteien (Ausnahme Linkspartei) als “muslimisch”, “palästinensisch”, “arabisch” und damit automatisch als “antisemitisch” gebrandmarkt werden.

Solidarische Unterstützung und Sichtbarmachung antifaschistischer Kräfte

Daher ist es aus meiner Sicht gerade in Zeiten rassistischer Kampagnen Aufgabe von weiß-deutsch identifizierten Linken, aktiv solidarisch auf migrantisierte oder rassifizierte Leute zuzugehen und öffentlich auf diese hinzuweisen, die sich in den jeweiligen communities bereits antifaschistisch äußern.

Aus meiner Sicht bedeutet diese Form der solidarischen Unterstützung einen ersten zentralen Schritt anti-rassistischer Praxis, weil gesamtgesellschaftlich wirksame, homogen-rassifizierende Bilder von Gruppen dadurch unterlaufen werden können, dass Einzelpersonen oder Gruppen angeführt werden, die gängigen Klischees widersprechen.

Beispielhaft möchte ich daher auf Ferat Kocak verweisen, langjähriger antifaschistischer und solidarischer Aktivist und Abgeordneter der Linkspartei aus Neukölln [–> hier twitter account], der nach den Anschlägen auf die Synagoge in Berlin-Mittte folgendes twitterte:

Abstand von homogenisierenden, autoritären Erziehungsdebatten

Darüber hinaus ist es aus meiner Sicht nicht zielführend, wenn Linke sich an staatlich gestützten Erziehungsdiskursen beteiligen, die auf der Grundlage der Homogenisierung migrantischer Communities, einem pauschalen “Antisemitismusverdacht” und damit einer rassistischen Stereotypisierung das politische Ziel ausgeben wollen, rassifizierte oder “muslimisch” identifizierte Leute oder gar Gruppen oder Bevölkerungsteile pauschal über Antisemitismus belehren oder gar “antifaschistisch aufklären zu wollen”.

Die einer solchen Vorgehensweise zu Grunde liegenden rassistischen Homogenisierungstendenzen von vermeintlichen “muslimischen Antisemit*innen” sind nicht nur diskriminierend, sie machen auch potenzielle linke Bündnispartner*innen in den jeweiligen communities unsichtbar, weil diese in antirassistische Verteidungsposition gedrückt werden.

Daher muss gerade in Zeiten des gesellschaftlichen Rechtsrucks in Deutschland darauf beharrt sein, dass eine angemessene “Strategie gegen Antisemitismus” gesamtgesellschaftlich angelegt sein muss. D.h. sie muss unterschiedliche politische sozio-ökonomische, politisch-organisatorische und identitäre Kontexte differenzieren, in denen Antisemitismus entsteht. Und sie muss in der Form der sozialen Interaktion den permanenten antimuslimischen Alltagsrassismus in den Blick nehmen, der jegliche Form der politischen Kommunikation zwischen “weißen” und migrantisierten Menschen über das Thema prägt.

Gefahr: Unsichtbarmachung des weiß-deutschen Antisemitismus

Geschieht dieses nicht, bleibt der rassistische Blick an “den Muslimen” hängen, was de-facto die Unsichtbarmachung der antisemitischen Geschichte Deutschlands und darin besonders des Holocausts bedeutet. Dazu gehören auch die antisemitischen Kontinuitäten nach 1945 in der BRD bis zum heutigen “weiß-deutschen”, rechten und verschwörungstheoretisch getragenen Antisemitismus, der quantitativ immer noch den größten Anteil antisemitischer Gewalt- und Straftaten und öffentlicher Meinungsäußerungen in Deutschland darstellt.

Werden diese, in der weiss-deutschen Geschichte und Gesellschaft verankerten, zentralen Bedingungen von Antisemitismus außer Acht gelassen, setzt sich die selektive Wahrnehmung der gegenwärtigen, antimuslimisch dominierten Antisemitismus-Debatte durch. Das “Bündnis gegen jeden Antisemitismus und Rassismus Hamburg” Mitte Oktober 2023 formulierte dies anlässlich einer Solidaritätskundgebung für die Betroffenen der Eskalation im Nahen Osten sehr treffend: “Deutschland inszeniert sich als Vorkämpfer gegen Antisemitismus, dabei ist die Geschichte Deutschland eine Geschichte antisemitischer Gewalt”.[–> GESAMTER AUFRUF]