Corona Update #4

CORONA-EINDÄMMUNG

In einem internen Strategiepapier des Bundesinnenministeriums werden drei unterschiedliche Pandemie-Verläufe im Hinblick auf die sozialen Folgen in Deutschland diskutiert. Dabei werden unterschiedliche Ausbreitungsgeschwindigkeiten, Quarantänemaßnahmen und Testverfahren angenommen. Die Opferzahlen für den “worst-case” sind mit 1,2 Millionen Toten erschreckend. Im “besten Fall” wird von einer 7-monatigen Quarantäne ausgegangen, was zusammen mit massenhaft C19-Tests zu einer deutlich geringeren Opferzahl führt –> ZUSAMMENFASSENDER ARTIKEL 

KAPITALISMUS

Die Corona-Krise hat zu einer starken Nachfrage nach medizinischen und hygienischen Produkten geführt, die nun dazu geführt hat, dass die Herstellerfirmen die Preise für diese massiv erhöht haben:

Dieses betrifft insbesondere Krankenhäuser, die ohne die entsprechenden Schutzutensilien nicht ihre Arbeit verrichten können:

KLASSENGESELLSCHAFT

Die gesellschaftsweite Quarantäne betrifft Menschen in unterschiedlichem Maße. Einige müssen arbeiten gehen, andere können zu Hause und dadurch virusbezogen “geschützt” bleiben. Einige ziehen sich in ein wohlbehagliches Zuhause zurück, andere müssen in beengten Geflüchtetenunterkünften oder schimmeligen Wohnungen wohnen. Elsa Köster geht in ihrem lesenswerten Beitrag den unterschiedlichen, bereits vor Covid-19 existierenden Bruchstellen einer Klassengesellschaft nach, die sich nun mit Ausbruch der Pandemie zuspitzen –> ARTIKEL

MIETENPOLITIK

150 Wissenschaftler*innen, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Thema Wohnen beschäftigen, haben einen Forderungskatalog erstellt, der Maßnahmen für den Wohnungsmarkt vorsieht, um der mit Covid-19 verbundenen sozialen Krise entgegenzuwirken:

  • “Sofortiges Moratorium von Kündigungen, Zwangsräumungen, Mieterhöhungen, Energie- und Wassersperren für Wohn- und Gewerbemieter*innen
  • Wohnungs- und Obdachlosein Hotels und leeren Wohnungen unterbringen: Menschen in Unterkünften – in Notunterkünften für Geflüchtete, in Notübernachtungen für Obdachlose oder anderen Formen der Unterbringung – sind besonders der Ansteckung mit Covid-19 ausgesetzt, genauso wie Menschen, die dort arbeiten. Gleichzeitig stehen zahlreiche Hotelzimmer und Wohnungen leer, die eine Einzelunterbringung ermöglichen. Die Ausfälle von Einnahmen bei Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe müssen ersetzt werden.
  • Mieter*innenlangfristig schützen: Durch die Corona-Krise anfallende Mietschulden müssen nicht zu einem späteren Zeitpunkt gezahlt werden, sondern werden durch die Immobilienwirtschaft getragen und, sofern dies nachweislich nicht möglich ist, durch einen einzurichtenden Hilfsfonds, an den sich in Not geratene Vermieter*innen wenden können.
  • Gewerbetreibende bei Verdienstausfall unterstützen: Ebenso wie der Ausfall von Wohnmietzahlungen darf auch das Ausbleiben der Zahlung von Gewerbemieten kein Grund für Kündigung sein.” –> LINK

MIGRATION 

Die portugiesische Regierung erkennt bereits im Land befindliche Geflüchtete an, und erteilt diesen eine befristete Aufenthaltserlaubnis: “Wer in Portugal vor dem 18. März, als dort der Ausnahmezustand im Kampf gegen das Coronavirus ausgerufen wurde, eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt hat, bekommt diese jetzt automatisch erteilt. Mit dem Antrag in der Hand werden die Betroffenen bis mindestens zum 1. Juli diesen Jahres die vollen Rechte genießen. Sie werden in die Sozial- und Krankenversicherung aufgenommen, können arbeiten, Arbeitslosengeld beantragen und ein Bankkonto eröffnen. Das gilt auch für Flüchtlinge, die Asyl beantragt haben. Und wer ein Visum hatte, das nach dem 25. Februar verfallen ist, darf bis zum 30. Juni im Land bleiben.” –> LINK

SOZIALE BEZIEHUNGEN UND FAMILIE

In den jeweiligen landespolitischen Verordnungen zur Ausgangssperre werden soziale Beziehungen definiert, mit den es noch erlaubt, sich zu treffen. Marie Schmidt beschreibt, welche Frage eine Politik des “social distancing” aufwirft, die sich am Modell der Kernfamilie und der Kernbeziehung orientiert:

“Zu den Dingen, die man vor Tagen noch für unerhört gehalten hätte, gehört, wie bang man jetzt das eigene Beziehungsleben mit einem behördlichen Maßnahmenkatalog abgleicht. Die bayerische Allgemeinverfügung besagt etwa, dass die “Kontakte zu anderen Menschen außerhalb des eigenen Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren” seien. In 54,4 Prozent der Haushalte der Landeshauptstadt München und 42 Prozent der Haushalte republikweit blicken nun die Bewohner stumm um einen leeren Tisch herum. In den letzten Jahren ist der Anteil der Singlehaushalte stetig gestiegen.

Schon klar, dass die Kontaktbeschränkungen kein moralisches Reglement darstellen, sondern ein pragmatisches gegen die Ansteckung mit dem Coronavirus. Ein gesellschaftlicher Rückschritt entsteht aber gezwungenermaßen auch, wenn die Kategorie des “absolut nötigen” Kontakts der Kernfamilie wieder die Form der abgeschlossenen Einheit gibt, von der Soziologen und Psychologen zuletzt aus guten Gründen abgeraten haben. Die Fürsorge für Kinder und andere Menschen auf viele Schultern und mehrere Generationen zu verteilen; Ressourcen, wie Autos zum Beispiel, mit vielen Personen zu teilen und sowieso die intimsten Beziehungen nicht mit der Erwartung zu überfrachten, alle möglichen Lebensprobleme aufnehmen zu können – all das ist zuletzt als fortschrittliche Lebensweise gepriesen worden.” –> LINK

Corona Update #3

Hier eine kurze Auswahl unterschiedlicher Positionen in chronologischer Form: 

11. März 2020: Ernstnehmen der Pandemie

Jens Berger schrieb noch vor ca. 3 Wochen über die Ausgrenzung jener Positionen, die die Covid-19 ernst nehmen: “Wer über das Coronavirus schreibt, läuft schnell Gefahr, von einigen Zeitgenossen als „Panikmacher“ abserviert zu werden. Unter Verweis auf den meist mild oder gar symptomfreien Krankheitsverlauf wirken Forderungen nach konsequenten Eindämmungsmaßnahmen in der Tat schnell überzogen. Doch hier wäre mehr Differenzierung nötig. Denn Personen, die älter als 65 oder vorerkrankt sind, nutzen die „schnupfenähnlichen“ Symptome junger, fitter Erkrankter herzlich wenig. Hier geht es um kalte Wahrscheinlichkeiten und erst wer das verstanden hat, kann die Risiken richtig einordnen.” –> LINK 

15. März 2020: Kontaktverbot und Grundrechtsschutz

Bereits am 15.3. schrieb Heribert Prantl einen lesenswerten Kommentar zum Verhältnis von C19-Eindämmung bzw. Prävention und Grundrechten, primär aus der Perspektive des Grundrechtsschutzes:

“Im Moment ist der demokratische Souverän, das Volk, mit allen Maßnahmen einverstanden. Es gibt fast schon Dankbarkeit, dass jetzt das Notwendige getan wird. Es gibt das große Wir-Gefühl: “Wir halten zu den Alten.”.  Und wenn das Wir-Gefühl mit der Zeit zerbröselt? Muss dann mehr Kontrolle her? Mehr Überwachung? Mehr Polizei? Es wird, je länger die Krise währt, und wie lange sie währt weiß im Augenblick niemand, wachsame Demokraten genauso brauchen wie gute Virologen. Gesellschaft und Demokratie leben von dem und bestehen aus dem, was jetzt “Sozialkontakt” heißt, und was jetzt rigoros vermieden werden soll – aus Gründen der Solidarität mit den von Corona besonders gefährdeten Menschen. Die Experten versprechen, dass auf diese Weise viel ausgerichtet werden kann zur Vermeidung von Infektionen. Man muss aber auch fragen, was angerichtet wird, wenn Grundrechte und Grundfreiheiten stillgelegt und das gesellschaftliche Miteinander ausgesetzt werden. Wird die Corona-Krise zur Blaupause für das Handeln in echten oder vermeintlichen Extremsituationen?” –> LINK

26. März 2020: #CoronaPolizei

Die Durchsetzung der Kontaktsperre hat in vielen Bundesländern zu der Frage gehört, wie weit der Interpretationsspielraum der Polizei geht und ob die jeweiligen Verordnungen sinnvoll sind. Unter dem Hashtag #CoronaPolizei werden auf Twitter Erlebnisse geteilt und Fragen dazu formuliert. –> LINK

Gleichzeitig werden die Verordnungen an sich hinterfragt, hier für Berlin:

“Leben während der Corona-Pandemie ist in vielerlei Hinsicht gruselig. Nicht nur, dass die Todeszahlen in vielen Ländern steigen, auch werden in Berlin und anderen Städten und Ländern wissenschaftlich nicht-evaluiert massive Einschränkungen des Lebens durchgeführt. Deren soziale und wirtschaftliche Folgekosten sind ebenso unabsehbar wie die Wirksamkeit der Maßnahmen. Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge.

Und natürlich bleiben die meisten Menschen, auch in Berlin, zuhause. Aber welchen Nutzen hat es, wenn man in einem Park nicht mal alleine auf einer Bank ein Buch lesen darf? Und wie hilft es, wenn die Polizei in einschüchternder Weise und mit breitbeinigem Auftreten unklare Regeln des Kontaktverbots durchsetzt.

Selbst, wenn man Polizist:innen keinen bösen Willen unterstellt, lassen die Regelungen einen gefährlichen Handlungsspielraum für die ausführende Exekutive. Denn die es als Gewaltmonopolist ohnehin gewohnt, Spielräume zu nutzen. Das ist gefährlicher, als es klingt.” –> KOMMENTAR

Corona Update #2

ARBEITSVERHÄLTNISSE

Während der Einzelhandel in vielen Staaten kollabiert, gibt es auch Unternehmen wie Amazon, die von der Corona-Pandemie und der mit ihr verbundenen Einschränkungen massiv profitieren. Dieses jedoch auf Kosten der Amazon-Angestellten und -Arbeiter*innen, die weiterhin in unmittelbarer Nähe zueinander arbeiten müssen, bei erhöhtem Arbeitstempo und ausbleibendem Gesundheitsschutz. Nun hat sich die transnationale Allianz “Amazon Workers International” mit einer Erklärung und eigenen Forderungen an die Öffentlichkeit gewandt. Kernforderung ist die Schließung aller Amazon-Warenlager bei voller Lohnfortzahlung, und bis dahin gesonderte Schutz- und Hygienemaßnahmen, eine Gefahrenzulage sowie eine Reduzierung der Arbeitszeit –> ERKLÄRUNG 

GESUNDHEITSPOLITIK

Die aktuelle Corona-Pandemie muss vom jetzigen Gesundheitswesen aufgefangen werden, das jedoch seit den 1980er Jahren neoliberal restrukturiert und ökonomisiert wurde. Kalle Kunkel von ver.di beschreibt in einem Interview von 2017, was dieses konkret im Pflege- und Behandlungsalltag bedeutet:

MIGRATION

Im Zuge der Pandemiebekämpfung wurden die europäischen Außen- und Binnengrenzen geschlossen, und Ressourcen aus den Lagern für Geflüchtete abgezogen. Ein Lager ist das Lager Moria aus Lesbos, in dem momentan ca. 20.000 Menschen leben müssen, ohne Schutz vor der Corona-Pandemie und zunehmend auch ohne grundlegende Nahrungsmittelversorgung. Während sich migrationspolitische Initiativen und NGOs hinter der Forderung “leave no one behind” für eine Evakuierung des Lagers einsetzen, reagiert bisher weder die griechische Regierung noch die Europäische Union –> ARTIKEL ZUR SITUATION IN MORIA

MILITARISIERUNG

Wie Spiegel-online berichtete, bereitet die Bundeswehr die Mobilisierung von 15.000 Soldaten bis zum 3. April vor (–> ARTIKEL). Die “Informationsstelle Militarisierung” (IMI) kritisiert dieses scharf und interpretiert dieses als offenen Verfassungsbruch, da keine Rechtsgrundlage für diese umfassende Mobilisierung bestehe. Zwar sei ein Teil für den Aspekt der Katastrophenhilfe legitimiert, jedoch nicht die Übernahme polizeiähnlicher, exekutiver Aufgaben. Die IMI kommt daher zu dem Schluss:

“Verteidigungsministerium, Bundeswehr und die beteiligten Innenministerien, z.b. Baden-Württemberg, bereiten aktuell mit Ansage einen offensiven Verfassungsbruch vor. […] Seehofer [spielte] bereits vor knapp zwei Wochen mit der Rechtsfigur des ‚übergesetzlichen Notstands‘ und damit mit der Option die Verfassung angesichts der aktuellen Lage bewusst und offensiv zu brechen. Was den Einsatz der Bundeswehr in Inland angeht ist jetzt der Punkt gekommen, wo sich auf diesen Verfassungsbruch aktiv vorbereitet wird. Ist dieser Geist erst einmal aus der Flasche, wird er dahin so schnell nicht zurückkehren. Damit ist auch der Punkt gekommen, wo sich Zivilgesellschaft, Friedens-, Bürgerrechts- und Antifaschistische Bewegung aktiv gegen diesen autoritären Schritt wehren müssen. Über die Welt nach der Corona-Pandemie wird jetzt entschieden!” –> IMI Erklärung

Corona Update #1

ARBEITSVERHÄLTNISSE

Das “Netzwerk Arbeitskämpfe Hamburg” hat in ihrer Stellungnahme “Keine Krisenlösung auf unsere Kosten” drei Grundforderungen im Umgang mit der Corona-Pandemie ausformuliert. Neben einem generellen Mietenerlass und einer solidarischen Vergemeinschaftung des Gesundheitssektors fordert das Netzwerk eine sofortige Stilllegung nicht-überlebenswichtiger Industriezweige zum Schutz der Angestellten: “Immer noch werden Menschen trotz der Ansteckungsgefahr gezwungen an ihre Arbeitsplätze zu kommen und unter Umständen, die in der momentanen Situation unzumutbar sind, zu arbeiten. Tausende Menschen werden in Lebensgefahr gebracht für die Produktion nicht lebensnotwendiger Waren (wie beispielsweise Flugzeuge) in Zeiten, in denen alle lieber zuhause bleiben sollten. Wir fordern: Produktionsstopp und Einstellung aller nicht unmittelbar lebensnotwendigen Dienstleistungen bei voller Lohnfortzahlung! Anpassung des Arbeitsschutzgesetzes an die momentane Lage!” –> STELLUNGNAHME 

BÜRGERRECHTE

Die bürgerrechtliche Europäische Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz hat in einer Erklärung Einspruch dagegen erhoben, wie die Maßnahmen zur Eindämmung  von Corona verabschiedet wurden (–> ERKLÄRUNG). Konkret: (1) Primat der Pandemie drängt Grund- und Bürgerrechte konsequent in den Hintergrund, anstatt diese gleichrangig zu behandeln; (2) Keine zielführende und nachvollziehbare Debatte darüber, ob und wie die Maßnahmen substantiell etwas bringen können und sollen, (3) Keine klaren Kriterien für ein Ende der Eindämmungsmaßnahmen, keine Befristung:

“Alle neu erwogenen Maßnahmen müssen sich daran messen lassen, ob sie für eine wirkungsvolle Pandemiebekämpfung wirklich zielführend und erforderlich sind und ob sie den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit einhalten. Einseitiges Streben nach einer umfassenden Sicherheit darf nicht den bisherigen gesellschaftlichen Konsens über die wertsetzende Bedeutung bürgerlicher Freiheits- und Persönlichkeitsrechte so überlagern, dass es zu einer langwirkenden Verschiebung zugunsten staatlicher Überwachung und zu Lasten freier und unbeobachteter Aktion, Bewegung und Kommunikation der Bürgerinnen und Bürger kommt. Eine Befristung neuer gesetzlicher Kompetenzen und ihre unabhängige Evaluierung ist unerlässlich, um Geeignetheit und Erforderlichkeit für die Zukunft sachgerecht beurteilen zu können.” –> BERICHT

CORONA-DATEN

Momentan werden minütlich neue Daten für das weltweite Corona-Lagebild erstellt, gesammelt und verarbeitet. Netzpolitik arbeitet nun für Deutschland die Probleme bei einer genauen Datenerfassung auf: diese reichen von uneinheitliche Corona-Fragebögen, unterschiedlichen Übermittlungsformen von Corona-Einzelfällen (bis zum Fax), unterbesetzten Gesundheitsämtern bei weiterhin steigenden Infiziertenzahlen bis zur weiterhin bestehenden annehmbar grossen Dunkelziffer von bereits Infizierten –> ARTIKEL

CORONA-STRATEGIE

Das in Deutschland federführende Robert-Koch-Institut gibt regelmässig ein Bulletin heraus, das über den Stand der Corona-Pandemie informiert. Im Bulletin vom 19.3.2020 ist die kombinierte Strategie aus Containment (Eindämmung), Protection (Schutz) und Mitigation (Folgewirkung-Abfederung) relativ anschaulich beschrieben . “Die von der Weltgesundheitsorganisation propagierten Phasen Containment, Protection und Mitigation sind Konzepte, die sich nicht ablösen, sondern deren Komponenten sich gegenseitig ergänzen und stärken, wenn die Epidemie weiter fortschreitet” (–> BULLETIN, Erklärung der Strategie auf S.3-7)

MEDIENPOLITIK

In seinem bereits am 17.3. erschienenen lesenswerten Beitrag für “Übermedien” stellt Andrej Reisin die Frage, wer in den kommenden Wochen und Monaten eigentlich bewerten kann, was “fake news” sind. Auslöser war die im konservativen parteipolitischen Lager erhobene Forderung, die Verbreitung von “fake news” in Bezug auf Corona strafrechtlich zu verfolgen.

Reisin kritisiert in diesem Zusammenhang eine sehr staatstreue Berichterstattung der Massenmedien, die dringend nötige Fragen zum staatlichen Umgang mit der Corona-Pandemie und den diesem zu Grund liegenden Strategien, Modelle und nationalstaatlich unterschiedlichen Vorbildern nicht bereit sei zu stellen,: “Warum gefallen sich deutsche Medien in ihrer Mehrheit darin, eilig die jeweils aktuellen Maßnahmen zu verkünden und implizit wie explizit immer noch härtere zu fordern, anstatt exakt diese Diskussion zu führen?”

Es könne “in Krisenzeiten nicht die eigentliche Aufgabe der Medien [sein], den verlängerten Arm der Regierung zu spielen und Kampagnen à la „Wir vs. Virus“ (die „tagesschau“ auf Social Media) zu inszenieren”. Statt dessen müsse der “Ritt auf der Rasierklinge” ausgehalten werden, d.h. “auf der einen Seite nichts zu verharmlosen und nicht den Eindruck zu erwecken, die Maßnahmen seien übertrieben, und auf der anderen Seite Regierungshandeln weiter distanziert zu begleiten und, wo nötig, zu kritisieren”. –> ARTIKEL

UMWELT

Tadzio Müller beschreibt in einem Kommentar erste Anzeichen dafür, wie die Corona-Pandemie und vor allem die getroffenen Gegenmaßnahmen das Feld der Umweltpolitik mittelfristig verändern werden. Schwerpunkt: der Rückgang an Emissionen, der neue Umgang mit von der Corona-Krise schwer getroffenenen “dreckigen Industrien” und die Legitimität für das Zurückfahren wirtschaftlicher Tätigkeiten, also die “radikale Reduktion wirtschaftlicher Aktivität”  –> KOMMENTAR

Das Attentat von Hanau: Solidarität und Stellungnahmen

SPENDENAUFRUF FÜR DIE HINTERBLIEBENEN VON HANAU

Die Bildungsstätte Anne Frank, der Verband der Beratungsstellen für Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, die Initiative 19. Februar Hanau und die Amadeu Antonio Stiftung rufen gemeinsam zu Spenden auf: “Jetzt benötigen die hinterbliebenen Familien und die lokalen Unterstützungsnetzwerke konkrete materielle und finanzielle Solidarität, um die ökonomischen Folgen des rassistischen Anschlags auch nur annähernd bewältigen zu können. Mit Ihrer Spende leisten Sie einen wichtigen Beitrag für dringend benötigte Soforthilfe, beispielsweise für Trauerfeiern, Akutversorgung und unmittelbare finanzielle Schäden. Und für eine langfristige Unterstützung Betroffener und Hinterbliebener. Für die Eltern und Geschwister, für Kinder und Freund*innen gab es ein Leben vor diesem Tag – und es muss ein Leben danach geben.” –> LINK ZUM SPENDENAUFRUF

“WIR SIND HIER. ES REICHT! DEUTSCHLAND HAT EIN RASSISMUSPROBLEM”

DIE ZEIT hat unter dem Titel “Wir sind hier. Es reicht! Deutschland hat ein Rassismusproblem” die Stellungnahmen von 142 in Deutschland lebenden Personen zusammengeführt, die von Rassismus betroffen sind  und sich nun zum Attentat von Hanau  äußern.

Für viele ist das Attentat von Hanau keine Überraschung, sondern eine Fortführung rassistischer Erfahrungen im Alltag.Gleichzeitig mischt sich in die Trauer über die Opfer auch die Wut über die politischen Strukturen in Deutschland, die das Attentat von Hanau ermöglicht haben.

Und es wird angesichts des Nachfragens einer kollektiven “Opferperspektive” auch die Frage nach der kollektiven “Täterperspektive” gestellt.

–> LINK ZU SÄMTLICHEN STELLUNGNAHMEN IN DER ZEIT

TRAUER- UND GEDENKKULTUR

Die ZEIT-Autorin Mely Kiyak kritisiert in einem Beitrag zum Attentat von Hanau die fehlende Gedenk- und Trauerkultur für die Opfer und deren Hinterbliebenen. Es gebe keine mehrtägige Staatstrauer wie in anderen Staaten, vor allem aber habe die Bundesregierung jegliche Form der persönlichen Anwesenheit und Trauerunterstützung bei den betroffenen Familien vermissen lassen:

“Schade, dass die Kanzlerin nicht da ist. Dass sie nicht nach Hanau fährt und die Eltern in den Arm nimmt. So wie damals die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern in Christchurch. Die band sich ein Kopftuch um (obwohl das keiner der Hinterbliebenen erwartete), ging in die Al- Noor Moschee, dem Tatort und nahm die hinterbliebenen Frauen in den Arm. […] Warum geht die Kanzlerin nicht zu den Opfern? Warum konnte sie nach dem Attentat auf die Synagoge in Halle am gleichen Abend in die Neue Synagoge in der Oranienburgerstraße gehen? Und jetzt nach Hanau geht sie nirgendwohin? Wieso ist niemand von der Regierung zu den Opfern gegangen? Warum hat der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Hanau auf einem Marktplatz gesprochen und die Hinterbliebenen waren gezwungen ihm zu applaudieren? Warum ist er nicht zu den Hinterbliebenen nach Hause gegangen und hat ihre Hand gedrückt? Warum steht er auf dem Marktplatz und legt Blumen auf den Boden, wo doch die Eltern ein paar Hundert Meter weiter wohnen. Da geht man doch hin und klingelt. Und entschuldigt sich für das Fehlen der Kanzlerin, richtet Grüße aus, zieht die Schuhe aus, setzt sich ins Wohnzimmer und trinkt gemeinsam mit ihnen Tee. Und so macht man das bei allen Familien der Hanauer Bürger, die starben. Das waren nämlich, bis auf den Rumänen, der war dienstlich in Deutschland, alles Hanauer Bürger.”  –> LINK ZUM ARTIKEL

SOLIDARITÄTS-DEMO IN HANAU

Am Samstag, den 22.2.2020 fand in Hanau eine bundesweite Solidaritäts- und Erinnerungsdemo für die Opfer und Hinterbliebenen des dortigen Terroranschlag statt. Es nahmen ca. 6.000 Menschen teil.

AFD-VERBOT ODER AFD ALS SYMPTOM EINES DEUTSCHEN RASSISMUS?

In den letzten Tagen wurde immer wieder ein Verbot der AfD gefordert. Georg Diez fordert jetzt in der taz, weniger die AfD, sondern vor allem den dahinterstehenden Rassismus als deutsche Kontinuität anzuerkennen und zu bekämpfen – alles andere sei scheinheilig.

Denn “die AfD ist nur ein Symptom für eine viel tiefer reichende illiberale und demokratiefeindliche Tradition in der deutschen Gesellschaft. Sie ist die Ausprägung eines Rassismus, der sich nach 1945 eine andere Form und Gestalt gesucht hat und immer präsent war: im Diskurs über die sogenannten Gastarbeiter seit den 1960er Jahren und das kommunale Wahlrecht in den 1980er Jahren, die Brandanschläge der 1990er Jahre und die folgende Verschärfung des Asylrechts. Die AfD ist die parlamentarische und politische Form für etwas, das sehr viele Menschen in diesem Land denken, und die Trennlinie ist nicht so sauber zu ziehen, wie es sich die vorstellen, die von Verbot reden oder wenigstens von klarer Abgrenzung.

Um den Widerspruch klarzumachen: Diejenigen, die nun das Verbot der AfD fordern, sind oft genau diejenigen, die in der Eurokrise von 2010/2011 die rassistische Logik der „faulen Griechen“ etablierten – aus dieser Zeit, aus dieser Logik stammt die AfD. Es sind diejenigen, die im Sommer 2015 und danach davor warnten oder sich entschieden dagegen engagierten, dass Deutschland seinen Teil der Verantwortung für die Geflüchteten in Europa trug und eine menschliche Politik machte. Es sind diejenigen, die immer nach Integration und Leitkultur riefen, wenn sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Gefahr sahen, und dann doch dafür stimmten, wichtigen zivilgesellschaftlichen Projekten und Institutionen die finanziellen Mittel zu streichen.

Kurz gesagt: Diejenigen, die nach den Morden von Hanau im Verbot der AfD eine Lösung für die rassistische und rechtsextreme Bedrohung in diesem Land sehen, sind vor allem die, die in den vergangenen Monaten und Jahren selbst ihren Teil dazu beigetragen haben, dass sich Rassisten in diesem Land wieder sicher fühlen dürfen, zu hetzen und zu morden. Und das macht den Diskurs über die AfD auch so verlogen: Wer neun Morde braucht, um zu verstehen, wie menschenverachtend die AfD ist und war, hat ein sehr eingeschränktes Verständnis von Humanität, Wahrheit und Würde.” –> LINK ZUM ARTIKEL

STAATLICHE VERFOLGUNG DES RECHTSTERRORISMUS

Die ZEIT-Autorin Mely Kiyak schließt in ihrem Beitrag zu Hanau an jene Positionen an, die ein hartes Durchgreifen des Staates gegen rechtsradikale Strukturen und neo-faschistische Gewalt fordern: “Auf die Gewalt der Straße müsste man mit staatlicher Gewalt antworten. Sonst wird das nie aufhören. Es kann nur noch darum gehen, das zu beenden, zu ersticken. Und nicht daraus zu lernen oder  – noch grotesker – eine Lehre daraus zu ziehen. Die Gewalt des Staates muss so massiv und angsteinflößend sein, dass alle Sympathisanten, die der Ideologie des Attentäters heimlich zustimmen, sich vor Angst in die Hose scheißen. Gewaltbereite, bewaffnete Nazis verstehen nur diese Sprache. Und ihre jämmerlichen Wähler ebenso. Man kann Terror nicht mit Beileidsbekundungen und Hashtags und Mahnwachen in Schach halten. Trauer und Solidarität ersetzen keine politischen Handlungen. Politik wird mit Politik gemacht.” –> LINK ZUM ARTIKEL

NSU-KOMPLEX UND NSU-AKTEN

Der NSU-Komplex ist weiterhin nicht aufgeklärt. Nachdem die Justiz die Einzeltäter-These verfolgt hat, fordern Beobachtungs-Initiativen wie die antifaschistische und antirassistische NSU-Watch weiterhin eine grundlegende Aufdeckung der rechten Netzwerke in Staat und Gesellschaft, die zum NSU geführt haben. –>LINK ZUR SELBSTDARSTELLUNG VON NSU-WATCH

Eine besondere Rolle spielen dabei die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern, insbesondere die Ämter für Verfassungsschutz. Das NSU-Tribunal schreibt hierzu in ihrer Anklageschrift:

“Der NSU bestand aus einem „Netzwerk von Kameraden“, und eben dieses erfuhr eine vielfältige Unterstützung durch die Sicherheitsbehörden. Nicht wenige Handlungen und Taten des NSU wurden durch die indirekte Unterstützung in Form staatlicher Gelder an V-Personen ermöglicht, mit denen Nazistrukturen auf- und ausgebaut wurden. Schon um die Jahreswende 1996/1997 warnte das BKA unter dem markanten Begriff des „Brandstiftereffektes“ vor der Radikalisierung der Nazi-Szene durch V-Personen des Bundesamts für Verfassungsschutz. In dieser Zeit bildeten sich erste Keimformen des NSU heraus.” –> LINK ZUR ANKLAGESCHRIFT DES NSU-TRIBUNALS

Zentraler Bestandteil einer Aufklärung ist die Offenlegung der NSU-Akten, die z.B. in Hessen mit einer Sperrfrist von 120 Jahren versehen wurden. Bereits 2018 fragte der Autor Lars Wieland diesbezüglich “Warum bleibt die NSU-Akte 120 Jahre unter Verschluss?”. An der Frage hat sich bis heute nichts geändert, ihre Beantwortung wird nach den Attentaten von Hanau nur umso drängender –>  LINK ZUM ARTIKEL

Das Attentat von Hanau: Say their names

Auf twitter gibt es unter dem Hashtag “saytheirnames” den Versuch, den Täter aus Hanau aus dem öffentlichen Blick zu nehmen, und die Opfer, ihre Angehörigen und Freund*innen in den Mittelpunkt der Aufarbeitung zu stellen, und dadurch einen Raum zum Trauern zu öffnen und Nachahmungstätern die Motivation für weitere Taten zu nehmen.

“Die ermordeten Menschen haben Gesichter und Namen

#SayTheirNames

Die Namen von acht der neun Todesopfer lauten:

Ferhat Ünvar

Gökhan Gültekin

Hamza Kutovic

Said Nessar

El Hashemi

Mercedes k.

Bilal Gökçe

Sedat Gürbüz

Can Gülcü

#Hanau”

Quelle

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Das Portal “Perspektive” hat zudem angefangen, die Kurzbiographien der Opfer aufzuschreiben:

Gökhan Gültekin war Kellner in einer der Shisha-Bars. Die Familie des 37 Jahre alten Mannes stammt aus der osttürkischen Provinz Ağrı. Er stand laut dailysabah kurz vor der Verlobung mit seiner Freundin.

Ferhat Ünvar hatte vor kurzem seine Ausbildung zum Heizungs- und Sanitärmechaniker beendet. Der 22-Jährige war Sohn der ehrenamtlichen Unterstützerin der Zeitung Özgür Politika, Serpil Temiz.

Die 35-jährige Mercedes K. war eine junge Romni (Roma-Frau), die als deutsche Staatsbürgerin mit polnischen Wurzeln Angehörige der nationalen Minderheit war. Sie war Mutter von zwei Kindern.

Unter den Opfern waren auch der 30-jährige Besitzer der Shisha-Bar Sedat Gürbüz, der 20-jährige bosnische Hamza Kurtović, der 32-jährige Kalojan Welkow, der 23-jährige Vili Viorel Păun, der 21-jährige Said Nessar El Hashemi, [und] ein Mensch dessen Identität bisher ungeklärt ist. ”

–> LINK ZUM ARTIKEL (wird laufend aktualisiert)

Das Attentat von Hanau: Antifeminismus

Der Täter von Hanau handelte ebenso wie die rechten Attentäter in Halle und Christchurch aus einer antifeministischen Motivation heraus: “Der mutmaßliche Täter von Hanau war offenbar ein „Incel“ („involuntary celibacy“, zu Deutsch „unfreiwillige Enthaltsamkeit”). Als „Incel bezeichnen sich Männer, die ungewollt keine Partnerin haben und die Ursache dafür im Feminismus sehen, da sie Frauen die Schuld an ihrer sexuellen Frustration geben, weil diese sich angeblich nur für sogenannte „Alpha-Männer interessierten und alle anderen Männer (die „Incels”) leer ausgingen. […]

Auch der Täter, der in Halle eine Synagoge überfiel und später zwei Menschen erschoss, gab Hass auf Frauen als Tatmotiv explizit an. So heißt es in dem Video, das er von seiner Tat aufnahm: „Feminismus ist Schuld an der sinkenden Geburtenrate im Westen, die die Ursache für die Massenimmigration ist. Und die Wurzel dieser Probleme ist der Jude.“

Die Linken-Politikerin Helm analysiert für das ARD-Magazin „Panorama“, dass dahinter nicht nur Antisemitismus stecke – sondern eine bestimmte Verschwörungstheorie: „Nämlich dass sich eine sogenannte jüdische Finanz-Elite, die die Welt regiert, den Feminismus am Reißbrett ausgedacht hat, um Frauen dazu zu bringen, weniger Kinder zu bekommen, um die weiße Rasse zu zerstören und einen Genozid an den Weißen zu verursachen.“” –> LINK ZUM ARTIKEL

Zum weiteren antifeministischen Hintergrund der Serie von rechten Attentaten ein Überblick von “Panorama” von November 2019:

News of the Day

VERDRÄNGUNG / GENTRIFIZIERUNG

Vor wenigen Wochen hat sich in Berlin die Initiative “Kein Haus weniger!” gegründet, die sich gegen die Verdrängung und Schließung alternativ Wohn- und Kneipenprojekte wehrt.

Aus dem Aufruf: “Ohne seine alternativen Haus- und Kulturprojekte wäre Berlin lediglich die Stadt, in der mal die Mauer stand. Sie wäre sozial, politisch und kulturell um Vieles ärmer. Tausende Menschen finden in Hausprojekten bezahlbaren Wohnraum ohne Angst vor Verdrängung haben zu müssen; Menschen, die anderswo diskriminiert werden, finden hier ein sicheres Zuhause. Die Häuser und Projekte bieten zudem eine elementar wichtige Infrastruktur für ihre Nachbarschaften. Hier finden sich Räume für Mietberatungen, politische Vernetzung, kulturelle Veranstaltungen und Orte zum Verweilen ohne Konsumzwang. […]

Stadtmarketing, Ferienwohnungsplattformen und Immobilienkonzerne bedienen sich der Berliner Subkultur des widerständigen und alternativen Lebens für den Verkauf eines rebellischen Images. Dem widersprechen wir entschieden: Wir sind nicht die Fassade eures Verwertungsmarktes. Wir sind der lebendige Beweis dafür, dass sich selbstbestimmtes Leben und soziale Räume nicht mit, sondern nur gegen Profitinteressen durchsetzen lassen. Wir sind die Vorboten einer besseren Zukunft als solidarische Stadt. Dass nun immer mehr Projekte auf die Straße gesetzt werden sollen, werden wir nicht akzeptieren.  […]  -> LINK ZUR INITIATIVE

Am Sonntag, 16.2.2020, findet im Festsaal Kreuzberg ab 18 Uhr eine Spendengala für “kein Haus weniger” statt.

SEXISMUS

Die Electro-Szene wird seit mehreren Wochen von einer Reihe sexualisierter Übergriffe erschüttert. Sowohl auf dem Festival “Monis Rache” als auch der “Fusion” wurden heimlich Videos vom Dusch- und Toilettenbereich gedreht, und danach auf Porno-Platformen hochgeladen. Hier die Stellungnahme der Fusion Veranstalter*innen zu dem Vorgang –> LINK

RASSISMUS & POLIZEI

Kampagnenstart und Demonstrationsaufruf: “Zum internationalen Tag gegen Polizeigewalt am 15.03.2020 lädt die Kampagne “Death in Custody – Aufklärung von Tod in Gewahrsam jetzt!“ zur bundesweiten Demonstration in Berlin Moabit ein. Death in Custody ist ein Bündnis von verschiedenen antirassistischen, antikolonialen Gruppen und Einzelpersonen.

Immer wieder sterben in Deutschland Schwarze und People of Color in Gewahrsam von Polizei und anderen staatlichen Institutionen. Oft werden die Opfer kriminalisiert, die Tatumstände seitens der der Ermittlungsbehörden vertuscht, während die Täter_innen straffrei davon kommen und in der weißen deutschen Dominanzgesellschaft das Schweigen über diese Todesfälle herrscht. Der Tod in Gewahrsam von rassifizierten Personen hat eine lange Tradition in Deutschland und Europa. Lasst uns gemeinsam gegen dieses kolonialrassistische System auf die Straße gehen und das Schweigen brechen!

In Gedenken an die Opfer und in Solidarität mit den Angehörigen fordern wir die umfassende Aufklärung der Todesfälle, Verurteilung der Täter_innen, Stärkung der Rechte der Betroffenen und wirksame Konsequenzen auf allen gesellschaftlichen Ebenen, um weitere Todesfälle zu verhindern!” –> LINK ZUR KAMPAGNE

RECHTE NETZWERKE

Nach Rene Benko, der den Karstadt am Hermannplatz gekauft hat und der FPÖ nahe steht, gibt es nun den nächsten rechtsradikalen Immobilienunternehmer, der 100.000 explizit an die AfD Thüringen, also Höcke & Co, spendet: Christian Krawinkel  –> LINK

Digitale Vollüberwachung (#2)

In dieser Kolumne schreibe ich Gedanken auf, die sich aus linker Perspektive mit einer sich abzeichnenden autoritär-staatlichen und kapitalistisch-profitgetriebenen digitalen Vollüberwachung auseinandersetzen. 

Nach den Enthüllungen von Edward Snowdon wird viel über heimliche staatliche “Hintertüren” bzw. backdoors in Anti-Viren-Programmen und anderer Schutzsoftware spekuliert, über die mensch durch staatliche Sicherheitsbehörden ausgespäht werden können. Wie kommen diese zustande? Meist wird von einer direkten Drohung der Sicherheitsbehörden an die jeweiligen Unternehmen ausgegangen, backdoors einzubauen und den Zugang dazu den Sicherheitsbehörden zur Verfügung zu stellen – andernfalls würde ihre Software vom Markt genommen.

Jetzt ist ein Überwachungs-Fall aus den 1970ern bekannt geworden, der sich anders darstellt. In diesem hatten der BND und der CIA selbstständig und heimlich einen der bekanntesten Firmen zur Herstellung von Chiffriermaschinen aufgekauft, das Unternehmen selbst weiterbetrieben und so die gesamte Kommunikation der Firmen-Kund*innen mitgelesen. –> LINK ZUM ARTIKEL

Vielleicht auch schon ein Modell für heute? Fahren staatliche Sicherheitsdienste eine Doppelstrategie aus (a) direkter staatlicher Drohung gegen die Betreiber*innen von Kommunikationsdiensten und (b) einer eigenen Beteiligung am Überwachungsmarkt, um die von ihnen geforderten Informationen über das gesellschaftliche Alltagsleben zu erhalten?

Und was bedeutet es, wenn staatliche Überwachungsakteure nicht nur die von anderen Akteuren erhobenen Daten “abgraben”, sondern selber die Entwicklung der Überwachungstechnologie und das Marktgeschehen, z.B. als Anbieter von Anti-Viren-Software, direkt mitgestalten?

Demonstrieren kostet jetzt Geld

Innenminister Horst Seehofer hat für die Bundespolizei eine neue Gebührenverordnung erlassen –> LINK

Diese neue Verordnung ist bereits im Oktober 2019 in Kraft getreten. Wer schonmal willkürliche Polizeigewalt erlebt hat, dem gefriert angesichts der nun verhängbaren Geldstrafen das Blut in den Adern, z.B. kostet ein Tag Haft ca. 570 Euro pro Person.  Desweiteren: “Eine erstmalige Platzverweisung kostet 88,85 Euro, eine Identitätsfeststellung 53,75 Euro, Anordnung des Gewahrsams 74,15 €, Erkennungsdienstliche Behandlung: 59,50 Euro, Vollzug des Gewahrsams pro angefangener Viertelstunde 6,51 Euro.”.

Seriously? Von der Bundespolizei belangt zu werden, kostet jetzt pauschal Geld? Was ist mit der Unschuldsvermutung? Sollen die Bürger*innen dann ihre eigene Rechtsunsicherheit in Verfahren auch noch materiell abfedern, indem sie erstmal die Kosten der Bundespolizei vorstrecken?

Viel wichtiger ist aber, dass eine solche Regelung eine direkte Form der Klassenjustiz darstellt. Denn wenn das Handeln der Polizei, z.B. auf Demonstrationen, bei Fussballspielen oder einfach der Anwesenheit im öffentlichen Raum nur noch jenen möglich ist, die es sich materiell leisten können, von der Bundespolizei willkürlich oder begründet belangt zu werden, dann entsteht eine starke Tendenz der Einschüchterung bei jenen, die sich eine materielle Strafe nicht leisten können oder diese verhindern wollen.