Aerosolforscher*innen gegen Ausgangssperren
“Wir müssen uns deshalb um die Orte kümmern, wo die mit Abstand allermeisten Infektionen passieren – und nicht unsere begrenzten Ressourcen auf die wenigen Promille der Ansteckungen im Freien verschwenden”
Die führenden Aerosolforscher*innen in Deutschland haben einen offenen Brief an die Bundesregierung geschrieben, in dem sie sich vehement gegen die vorgesehenen Ausgangssperren im neuen Bundesgesetz und den damit verbundenen Fokus auf Infektionen in Außenräumen werden. Dies Ausgangssperren führen fatalerweise die Strategie “irreführender” Kommunikation fort:
“Wir teilen das Ziel einer Reduzierung problematischer Kontakte in Innenräumen, aber die Ausgangssperren versprechen mehr als sie halten können. […] Wenn wir die Pandemie in den Griff bekommen wollen, müssen wir die Menschen sensibilisieren, dass
DRINNEN die Gefahr lauert. In den Wohnungen, in den Büros, in den Klassenräumen, in Wohnanlagen und in Betreuungseinrichtungen müssen Maßnahmen ergriffen werden. Die andauernden Debatten über das Flanieren auf Flusspromenaden, den Aufenthalt in Biergärten, das Joggen oder das Radfahren haben sich längst als kontraproduktiv erwiesen. Wenn unseren Bürgerinnen und Bürgern alle Formen zwischenmenschlicher Kontakte als gefährlich vermittelt werden, verstärken wir paradoxerweise die überall erkennbare Pandemiemüdigkeit. Nichts stumpft uns Menschen bekanntlich mehr ab als ein permanenter Alarmzustand.” (LINK ZUM OFFENEN BRIEF)
Beispiel Frankreich – Beispiel Toulouse
In Frankreich existieren bereits seit Oktober 2020 Ausgangssperren, bis vor kurzem bereits ab 18h jeden Tags, nun ab 19h. Die Effekte sind laut einem ZEIT-Artikel unklar, in der Hälfte der Städte stieg die Inzidenz an, in der anderen Hälfte sank sie.
In Toulouse verfolgte eine Forscher*innen-Gruppe die Entwicklung sehr genau, und kam zu dem Schluss, dass eine Ausgangssperre dort das Infektionsrisiko stark erhöht habe: “Wahrscheinlich hat sie in Toulouse nicht funktioniert, weil die Menschen innerhalb kürzerer Zeit dasselbe machen – also etwa alle früher einkaufen. Das führt zu Menschenansammlungen.”. Zu selbigem Schluss käme ein Artikel im Magazin Science: “Ausgangssperren, steht dort, ‘erhöhen das Übertragungs-Risiko in Haushalten und Familien'” (LINK ZUM ARTIKEL)
Empirische Datenlage für Ausgangssperre
Der Journalist Patrick Gensing hat beim Bundesgesundheitsministerium nachgefragt, welche Datenerhebungen für eine Ausgangssperre sprechen und seine Recherche in einem Twitter-Thread verarbeitet. Im Kern geht es dabei um zwei im Gesetzesentwurf zitierte wissenschaftliche Studien – eine mit Bezug auf Frankreich und eine andere zu Ausgangssperren in anderen europäischen Staaten als Deutschland. Bei beiden Papers korrelieren die Ausgangssperren jedoch so stark mit anderen Maßnahmen wie der Schließungen von Bars und den Schulferien, dass Gensing diese als solide Grundlage für zu gering einschätzt (TWITTER-THREAD)
GRUNDRECHTEKOMMITEE GEGEN AUSGANGSSPERRE
Das Kommitee für Grundrechte und Demokratie hat sich einer Pressemitteilung ebenfalls gegen Ausgangssperren ausgesprochen und allen Betroffenen den Rechtsweg dagegen empfohlen: “Ausgangssperren stellen einen weiteren Schritt in der schon jetzt umfänglichen Reglementierung des Privatlebens dar, während diverse Bereiche der Wirtschaft, insbesondere Großbetriebe, weiterhin vielfach von pandemiebedingten Vorschriften unbehelligt bleiben.
Ausgangssperren schränken darüber hinaus nicht nur die Bewegungsfreiheit aller ein, sie bringen vor allem marginalisierte und vulnerable Gruppen in Gefahr. Denn Ausgangssperren dienen insbesondere der Vereinfachung der Kontrolle von Individuen im öffentlichen Raum. Derartige Kontrollen richten sich erfahrungsgemäß weniger gegen eine wohlhabende Mehrheitsgesellschaft, sondern überproportional gegen Jugendliche und Zugehörige marginalisierter Gruppen, wie etwa von Rassismus betroffene Menschen, Wohnungslose oder Menschen in ärmeren Stadtteilen.” (PRESSEMITTEILUNG)