CHRONOLOGIE DES POGROMS
Der Dokumentarfilm “Die Wahrheit lügt (liegt) in Rostock” von 1993 rekonstruiert die Ereignisse aus dem August 1992. Aus der Selbstbeschreibung des Films:
“Die Videoproduktion „The Truth lies in Rostock” entstand 1993 unter maßgeblicher Beteiligung von Menschen, die sich zum Zeitpunkt der Geschehnisse im attackierten Wohnheim befanden. Deshalb zeichnet sich die Produktion nicht nur durch einen authentischen Charakter aus, sondern versteht sich auch Jahre danach als schonungslose Kritik an einer Grundstimmung in der bundesrepublikanischen Gesellschaft, die Pogrome gegen Migranten oder einfach nur „anders aussehende” überhaupt erst möglich macht.
Eine Montage von Videomaterial, gedreht aus den angegriffenen Häusern heraus, Interviews mit Anti-FaschistInnen, den vietnamesischen VertragsarbeiterInnen, der Polizei, mit Bürokraten, Neonazis und Anwohnern. Eine Dokumentation über das heimliche Einverständnis der Politik und über die verbreitete Angst.”
CRITICAL WESTNESS
Die rechtsradikalen Mobilisierungen und Gewalttaten der frühen 1990er Jahre werden meist als “ostdeutsches Phänomen” verstanden, obwohl mit Solingen und Mölln zwei westdeutsche Städte unter den prominentesten Orten sind, an denen rassistische, rechte Morde passierten. Die Historikerin Franka Maubach setzt sich daher kritisch mit der stereotypen, west-entlastenden Perspektive auf die Pogrome in Rostock auseinander:
“Statt das Geschehen von den Tätern und ihren Taten her zu erzählen, sollten wir es von den Opfern her aufschlüsseln. Und statt Lichtenhagen bloß als ostdeutsche Geschichte zu verstehen, sollten wir die Kontinuitätslinien nachziehen, die nicht nur in die DDR, sondern gerade auch in die alte Bundesrepublik führen. Denn der Diskurs über Ost- als Dunkeldeutschland bot und bietet eine bequeme Ausrede, sich nicht mit dem spezifischen Rassismus Westdeutschlands auseinandersetzen zu müssen, der vor allem in den Achtzigerjahren virulent wurde. Mit der Vereinigung wuchsen dann der ostdeutsche und der westdeutsche Rassismus zusammen, verstärkten einander und stießen eine Gewaltdynamik an, die beide Teile Deutschlands erfasste und bis heute prägt.” [–> LINK ZUM ARTIKEL]
ERFAHRUNGSBERICHTE
Fabian Hillebrand und Vanessa Vu haben für Zeit-Online unter dem Titel “Das Pogrom und wir” eine Reihe von eindrücklichen Erfahrungsberichten von jenen zusammengetragen, die als Betroffene oder als Zeug*innen bei dem Pogrom dabei waren. Ein Beispiel hier, der Rest im Artikel [–> LINK].
ERINNERUNGEN AUF SOCIAL MEDIA
Ich habe mal auf social media nach posts geschaut, die sich mit der linken Erinnerung an die Pogrome von Rostock und Schlüssen für die heutige politische Situation in Deutschland auseinandersetzen. Hier eine kleine Auswahl:
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MIGRANTISCHE PERSPEKTIVEN
Massimo Perinelli beschreibt in einem sehr lesenswerten Beitrag migrantische Perspektiven auf die Pogrome in Rostock im Jahr 1992. Diese besteht zum einen in den Erfahrungen gewalttätiger Übergriffe rechter Gruppen auf migrantisch gelesene Personen und der offenen Zustimmung und Unterstützung von Teilen der lokalen Bevölkerung hierzu:
“Das Pogrom begann am 22. August, einem Samstag, als Neonazis anfingen, die Menschen vor dem Haus anzupöbeln und zu schlagen. Mehr und mehr Anwohner*innen kamen hinzu und feuerten die Täter an. Die Angriffe steigerten sich in der Nacht und wurden am Sonntag mit zunehmender Brutalität fortgeführt. Als am Montag die Flüchtlinge unter starkem Polizeischutz evakuiert wurden, feierte der Mob. Der »Abtransport«, wie es damals polizeideutsch hieß, bedeutete für viele Roma faktisch die Abschiebung. Ihre erzwungene Abwesenheit in der erinnerungspolitischen Auseinandersetzung mit dem Pogrom führt bis heute dazu, die antiziganistische Dimension dieses Verbrechens zu übersehen. […]
In Lichtenhagen ging der Mob am Montagabend mit Steinen und Molotowcocktails schließlich gegen das Sonnenblumenhaus vor, in dem circa 150 ehemalige Vertragsarbeiter*innen aus Vietnam wohnten, unter ihnen auch Kinder. Die Polizei zog ab, während die Nachbarn die Rettungswege zu den angrenzenden Häusern mit Eisenketten versperrten.”
Die Betroffenen leisteten jedoch zum anderen direkten Widerstand gegen die Angriffe und organisierten sich nach dem Pogrom in eigenen Organisationen, die eine juristische und politische Aufarbeitung einforderten:
“Wie Nguyen Do Thinh, ein Bewohner des Sonnenblumenhauses, unlängst in einem Interview mit »Zeit-Online« betonte, war es vor allem die entschlossene und disziplinierte Gegenwehr der Vietnames*innen selbst, die eine Erstürmung des Hauses und letztlich den Tod von über 100 Menschen verhinderte und schließlich auch die Flucht vor dem Feuer über das Dach ermöglichte. Nur wenige Tage später gründeten die Überlebenden den Verein Diên Hông – Gemeinsam unter einem Dach, der bis heute eine maßgebliche Rolle bei der Aufarbeitung dieses Pogroms spielt.” [–> LINK ZUM ARTIKEL]