Stellungnahme: “Die Klimakrise ist real und braucht global-solidarische, sozial-ökologische Lösungen. Gegen die bundesweiten staatlichen Repressionen gegen die „Letzte Generation“*”

Angesichts der seit Ende Mai durchgeführten bundesweiten polizeilichen Razzien gegen Mitglieder der klimapolitischen Gruppe „Letzte Generation“ (LG), der darauffolgenden Öffentlichmachung einer staatlichen Überwachung des Pressetelefons der Gruppe und dem Versuch, Mitglieder der LG, die sich an Straßenblockaden beteiligt hatten, in gerichtlichen „Schnellverfahren“ zu verurteilen, muss mit Nachdruck herausgestellt werden, dass die massiven staatlichen Repressionen gegen die LG unverhältnismässig sind und solidarisch abgewendet werden müssen.

Für eine gesellschaftskritische, sozialwissenschaftliche Perspektive stellt der Klimawandel und die daraus resultierende globale Klimakrise einen zentralen Referenzpunkt der eigenen wissenschaftlichen Arbeit dar. Umwelt-, klima- und sozialwissenschaftlich ist unbestreitbar, dass wir uns in einer globalen Entwicklungsdynamik befinden, die menschliche Lebensgrundlagen nachhaltig zerstört. Hiervon zeugen die Klimaerwärmung, die Zunahme von Starkwetterphänomen, das Artensterben, die Abschmelzung der Pole, Dürren, Ernährungskrisen und eine seit Jahren steigende Zahl von Menschen, die auf Grund klimatischer Veränderungen flüchten müssen.

Entsprechend muss die in öffentlichen Debatten immer wieder geäußerte Einschätzung, bei den Aktivistinnen der „Letzten Generation“ handele es sich um „gestörte Klimakleber*innen“ aufs Schärfste zurückgewiesen werden. In den kritischen, sozialwissenschaftlichen Diskursräumen, die sich mit dem Klimawandel beschäftigen, wird nicht mehr ernsthaft diskutiert, ob ein menschheitsbedrohender Klimawandel stattfindet, sondern nur noch, ob und unter welchen Entwicklungsbedingungen dieser bei entsprechenden Gegenmaßnahmen irreversibel ist oder nicht. Diesbezüglich politische Furcht oder Sorge zu entwickeln ist eine angemessene menschliche Reaktion.

Nicht angemessen ist jedoch die politische Entscheidung von Staatsanwaltschaften, Polizeibehörden und konservativen Politiker*innen der Inneren Sicherheit in Deutschland, die politischen Aktionen der „Letzten Generation“ als Tätigkeit einer „kriminellen Vereinigung“ zu werten. Es war und ist immer sichtbar, dass es bei den Aktionen der „Letzten Generation“ darum geht, das alltägliche, in der jetzigen Form hochgradig klimafeindliche, gesellschaftliche Leben in Deutschland zu unterbrechen, um diskursive, politische Freiräume zu öffnen und andere Möglichkeiten und Modelle sozial-ökologischen Handelns zu entwickeln und in der Praxis zu etablieren.

Dieses klimapolitische Ansinnen, auch gegen den im Grundgesetz und einer Reihe internationaler klimapolitischer Abkommen (Pariser Klimaschutzabkommen, Artikel 20a Grundgesetz, Bundes-Klimaschutzgesetz) verankerten politischen Auftrag zum Klimaschutz, zu kriminalisieren, mag in ein konservatives Weltbild passen, das bis zur lebensbedrohenden Selbst- und Fremdgefährdung an „alten Gewohnheiten“ festhalten und deren negative Folgen „totschweigen“ möchte. Es entspricht aber in keiner Weise den wissenschaftlich gesicherten, politischen Aufgabenstellungen, die aus den desaströsen Folgen des gegenwärtigen Klimawandels erwachsen.

Ganz im Gegenteil: mit den gewaltsamen Hausdurchsuchungen, den Angriffen auf Social Media Kanäle und Kommunikationsinfrastruktur sowie der Beschlagnahmung der finanziellen Mittel der LG werden nun auch noch jene sprichwörtlich „in Haft genommen“, die in kritischer Absicht auf die destruktiven Aspekte des Klimawandels hinweisen und diese aufhalten wollen. Aus einer grundrechtlichen Perspektive muss diesbezüglich betont werden, dass die staatlichen Repressionen gegen die LG – ebenso wie vergleichbare staatliche Repressionen gegen klimapolitische Akteure in Staaten wie Frankreich, in denen klimapolitische Gruppen wie “Le Soulèvement de la Terre” massiv drangsaliert und verboten wurden – für die unmittelbar Betroffenen massive anti-demokratische Grundrechtseinschränkungen darstellen.

Klimapolitisch ändern solche „repressiven Schauläufe“ konservativer Politik jedoch kaum etwas an der globalen Gesamtsituation. Denn die politische Aufgabe einer global-solidarischen, sozial-ökologischen Transformation der dominanten, imperialen Lebensweise des globalen Nordens stellt sich weiterhin mit aller politischen Dringlichkeit. Selbiges gilt für den Umstand, dass sich der destruktive Klimawandel unter den Bedingungen einer weiterhin existierenden, ressourcenintensiven und profitorienierten, globalen kapitalistischen Produktions- und Lebensweise, die staatlich-autoritär nach Innen und Außen abgesichert wird, menschheitsbedrohend weiterentwickeln wird.

Dass dieses von mündigen Menschen in einer Demokratie kritisch wahrgenommen und problematisiert wird, ist eine politische Selbstverständlichkeit, die wertschätzend gewürdigt muss und nicht kriminalisiert werden darf. Entsprechend müssen die §129 StGB Verfahren gegen die Mitglieder der „Letzten Generation“** sofort eingestellt und darüber hinaus die staatlichen “Ausspäh- und Kriminalisierungsparagraphen” §129, §129a und §129b StGB ersatzlos abgeschafft werden, um den Raum für eine breite gesellschaftspolitische Debatte über global-solidarische Umgangsweisen mit der Klimakrise jenseits plumper konservativer Kriminalisierungsversuche zu öffnen.

Lars Bretthauer, Berlin

*Ich danke jenen Mitgliedern des offenen Verteilers der Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung, die den ersten Entwurf dieser Stellungnahme begleitend kommentiert haben, für ihre hilfreichen Anregungen.

** Neue Entwicklungen rund um die LG können auf deren twitter-Profil nachvollzogen werden [–> LINK]

Staatliche Repression und Überwachung #2

Fussballfans gegen Chatkontrolle

Viele staatliche Überwachungs- und Repressionsmaßnahmen wurden und werden zuerst an Fussballfans ausprobiert, sei es die Erstellung von “Gefährder”-Datenbanken oder das sogenannte “crowd management” im und rund ums Stadion. Erfreulicherweise mischen sich jetzt Fanverbände auch in den aktuellen Konflikt um die Einführung einer Chatkontrolle auf europäischer Ebene ein und haben hierzu einen offenen Brief verfasst, der sich gegen die neuen Kontrollmaßnahmen positioniert. Die Verbände kritisieren zu Recht, dass der vielfach genannte Einführungsgrund der Kontrolle der vermeintliche “Kinder- und Jugendschutz” sei (viele Jugend- und Kinderschutzverbände widersprechen jedoch schon dieser Annahme) – es drohe jedoch zusätzlich eine Ausweitung der Echtzeitkontrolle auf die Fussballfanszenen, die nicht hinzunehmen sei:

“Denn Fußballfans sind schon heute enormen Überwachungsmaßnahmen und Grundrechtseinschränkungen durch die Polizei ausgesetzt. Martialische Polizeieinsätze, Einschränkungen von Bewegungs- und Reisefreiheit sowie Hausdurchsuchungen sind nur einige der Maßnahmen, die gegen Fans eingesetzt werden. Mit der Chatkontrolle könnten die Ermittlungsbehörden noch tiefer als bislang ohnehin schon in das Alltagsleben von Fans eindringen. Einmal eingeführt, befürchten wir einen starken Missbrauch der Chatkontrolle gegen die Sub- und Jugendkultur von Fußballfans, der insbesondere angesichts abnehmender Straftaten in den Stadien einfach nicht vertretbar ist. Die frei und selbstbestimmte Fankultur, wie wir sie bislang kennen, ist dadurch direkt bedroht.” [–> OFFENER BRIEF]

Gesetz gegen digitale Gewalt

Seit April laufen die Beratungen für ein neues Gesetz gegen digitale Gewalt. Im Juni gab es dazu eine Reihe von Stellungnahmen zivilgesellschaftlicher, netzpolitischer und juristischer Organisationen, die zwei Punkte besonders hervorhoben: (1) auch wenn es viele Alltagsbeispiele wie antifeministische Beleidigungen und Bedrohungen im Netz oder Identitätsdiebstahl gibt, gegen die ein solches Gesetz intuitiv Sinn macht, sei der Begriff der “digitalen Gewalt” in den bisherigen Plänen der Bundesregierung völlig unzureichend definiert. Dies habe zur Folge, dass der Begriff strafrechtlich bis weit in die Grauzonen digital vermittelter und tendenziell uneindeutiger digital vermittelter Konflikte erweitert werden könnte, was unbedingt zu verhindern sei. (2) werde zwar öffentlich mit dem Schutz von Persönlichkeitsrechten argumentiert, de-facto lasse der Gesetzesentwurf aber zu, dass der Begriff der digitalen Gewalt auch auf Rechtsgüter wie geistiges Eigentum ausgeweitet werden, und damit eine wirtschaftspolitische Wendung erfahre. Diese lehnen die meisten Verbände ab. Eine sehr gute Zusammenfassung des Gesetzgebungsverfahren gibt der Artikel von Constanze Kurz auf netzpolitik.org. [–> ARTIKEL]

Widerstand gegen die staatliche Überwachung der Letzten Generation

Nachdem im Mai 2023 öffentlich bekannt wurde, dass von staatlicher Seite auf der Grundlage eines $129-Verfahrens zur Gründung einer kriminellen Vereinigung gegen die öko-aktivistische Gruppe der “Letzten Generation” ermittelt wird, wurde kurz danach bekannt, dass das Pressetelefon der Gruppe über Monate abgehört wurde, um an Informationen zu gelangen. Mittels des Pressetelefons kommuniziert die Gruppe mit interessierten Journalist*innen.

Da die monatelange Überwachung der Gespräche zwischen Aktivist*innen und Journalist*innen ein bewusster staatlicher Eingriff in die Pressefreiheit ist, haben nun drei betroffene Journalisten einen Antrag auf Prüfung der von der Münchener Generalstaatsanwalt veranlassten Maßnahme gestellt. Begründung: die Pressefreiheit werde untergraben: “Ronen Steinke, rechtspolitischer Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, sagt: „Journalistengespräche abhören, ununterbrochen, monatelang, und die Abgehörten auch hinterher darüber im Dunkeln lassen – ein solcher Übergriff des Staates höhlt die Pressefreiheit aus. Vertrauliche Gespräche sind für unabhängigen Journalismus essenziell.“ [–> ARTIKEL]

Stellungnahme: “Strukturellen Rassismus in den Sicherheitsbehörden ernst nehmen und bekämpfen. Solidarität mit der Lehrbeauftragten Bahar Aslan in NRW*”

Der Fall von Bahar Aslan, einer Lehrbeauftragten für “interkulturelle Kompetenzen” an einer Polizeihochschule in NRW, hat in den letzten Wochen hohe Wellen in der deutschen Öffentlichkeit geschlagen [–> BERICHT]. Aslan hatte Ende Mai auf twitter aus rassifizierter Perspektive ihre Angst und die ihres Freundeskreises vor der deutschen Polizei beschrieben:

„Ich bekomme mittlerweile Herzrasen, wenn ich oder meine Freund*innen in eine Polizeikontrolle geraten, weil der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden uns Angst macht. Das ist nicht nur meine Realität, sondern die von vielen Menschen in diesem Land. Polizeiproblem.”

Darauf erfolgte – maßgeblich ausgelöst durch einen Artikel im Focus [–> NACHBERICHT] – ein rechter Shitstorm gegen Aslan in den sozialen Medien wegen “pauschaler Verunglimpfung der Polizei”, an der sich auch der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei NRW an vorderster Front beteiligte. Daraufhin entschied die Polizeihochschule, Aslans Lehrauftrag nicht zu verlängern.

Aus einer gesellschaftskritischen, sozialwissenschaftlichen Perspektive auf das Feld Innere Sicherheit, die sich in vielfältiger Form mit den Themen Rassismus und Staatsgewalt in Deutschland beschäftigt, ist dieses Vorgehen der Polizeihochschule in mehrfacher Hinsicht nicht nachvollziehbar.

Denn Aslans rassismus- und polizeikritische Äußerungen stellen keine vereinzelte Perspektive dar, sondern gehören zum gängigen Kanon einer polizeikritischen Debatte in Deutschland. Dieser Kanon bezieht eine Betroffenenperspektive genauso ein wie eine sozialwissenschaftlich-analytische Debatte um den sogenannten „strukturellen bzw. institutionellen Rassismus“ in den Sicherheitsbehörden.

Diese Debatte profitiert massiv von den Erfahrungen außeruniversitärer, antirassistischer Bildungs- und Forschungsarbeit – hierzu zählen u.a. das Forschungsprojekt “Death in Custody” [–> LINK] und antirassistische Gruppen und Initiativen wie die “KOP – Kampagne für die Opfer rassistischer Polizeigewalt” [–> LINK] – und hat über socialmedia-Hashtags wie „#polizeiproblem“ [–> TWITTERÜBERSICHT] auch Eingang in die öffentliche Debatte gefunden.

Öffentlichkeitswirksam existiert die Debatte spätestens seit dem von der Oury-Jalloh-Initiative über Jahre angeklagten Mord an Oury Jalloh in einer Polizeistation in Dessau. Sie war aber auch bei der nachträglich festgestellten, über V-Leute bestehenden Verflechtung zwischen den Landesverfassungsschutzämtern und dem rechten Terrornetzwerk des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) ein zentrales Thema, und wurde durch den Abruf von Adressdaten aus Polizei-Computern und dem darauf erfolgenden Verschicken von Morddrohungen durch den NSU 2.0 erneut diskutiert.

Schließlich gelang es der Black-Lives-Matter Bewegung mit ihrer Zurückweisung rassistischer Polizeikontrollen (racial profiling) sowie ihrer scharfen Forderung nach einem sofortigen Ende von Polizeigewalt, die bis zum Mord an rassifizierten Personen reicht, das Thema strukturell-rassistischer Strukturen in den deutschen Sicherheitsbehörden bundesweit auf die politische Agenda zu setzen.

Es ist daher umso beschämender, wenn sich die Leitung der Polizeihochschule nun einem rechten Internet-Mob und konservativen Polizeipolitiker*innen unterwirft, die partout keine Kritik an den deutschen Sicherheitsbehörden dulden wollen – ja, diese antidemokratisch mundtot machen will. Die politisch Verantwortlich reihen sich damit in die Gruppe derjenigen ein, die aus obrigkeitsstaatlicher Haltung oder privilegierter und „weissdeutscher“ Perspektive nicht Willens sind, den vielfältigen Schilderungen von Betroffenen aus ihrem rassistischen Alltag in Deutschland, auch im Umgang mit der Polizei, ernsthaft Gehör und Glauben zu schenken.

Es zeugt von einem antidemokratischen und antipluralistischen Geist, diese marginalisierten und von Diskriminierung betroffenen Stimmen, wie nun passiert, von den Hochschulen zu verdrängen, anstatt sie anzuhören und in selbstkritische Reflexionsprozesse einzutreten. Vor diesem Hintergrund muss der bis heute nicht zurückgenommene Ausschluß von Bahar Aslan von ihren Lehraufgaben dringend zurückgenommen werden und das dieser Entscheidung zu Grunde liegende strukturkonservative Wissenschaftsverständnis grundlegend hinterfragt werden. Solidarität mit Bahar Aslan!**

Lars Bretthauer, Berlin

*Ich danke jenen Mitgliedern des offenen Verteilers der Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung, die den ersten Entwurf dieser Stellungnahme begleitend kommentiert haben, für ihre hilfreichen Anregungen.

** Für aktuelle Entwicklungen in diesem Fall bitte Bahar Aslan direkt auf twitter folgen [–> LINK]

Patriarchale, non-konforme Provokationen in der Popkultur: zur anti-sexistischen Debatte um Rammstein

Ich weiss auch nicht genau, warum ich das Bedürfnis habe, etwas zu den Sexismus-Vorwürfen gegen die Band Rammstein und Till Lindemann als ihrem Lead-Sänger zu schreiben. Nachdem ich gestern Ausschnitte des youtube-Videos der Influencerin Kayla Shyx gesehen habe, die auf einer AfterParty von Rammstein zugegen war, kam das Gefühl des sich Äußernwollen jedoch – von daher will ich Euch den Bericht über das patriarchale System Rammstein nicht vorenthalten.

Rammstein: i don’t like the music

Zur Band: ich fand Rammstein vom ersten Tag an wirklich oberscheisse, als sie mit ihrem überartikulierten Hochdeutsch, Lindemanns tiefer Todesstimme und einzelnen Wortfetzen prominent wurde.

Für mich war es eine Zeit, in der bis auf die Hamburger Schule Bands und linkem Rap keine deutschsprachige Band erträglich war, zu sehr war Deutsch die Sprache des hart sozial gestörten MDMA-Schlagers – und zu sehr war unter linken Kulturschaffenden umstritten, ob es nach dem deutschen Nationalsozialismus überhaupt wieder eine öffentliche deutschsprachige Repräsentation in der Musik geben sollte.

Aus dem sozialdemokratischen Spektrum gab es als kulturpolitische Reaktion darauf immer wieder gemässigt deutschnationale Forderungen nach “mehr Radiozeit für deutschsprachige Künstlerinnen”, die jedoch von den linken Kulturschaffenden und Organisatorinnen der Kulturszene direkt und stillschweigend eingestampft wurden.

Non-Konformismus à la Rammstein

Dann kam aber Rammstein, schiss auf alles und machte als Band einfach “ihr Ding” – harte Gitarrenmucke mit deutschsprachigem Befehlston, irgendwie vom Sound her Gothic für Ästhetinnen mit Deutungsanspruch, vom Inhalt her aber leider nix zu holen, sondern dünner als die Inhaltsangaben auf einer Leberwurstverpackung im Supermarkt. Rammstein halt.

Dann war da die Sache mit dem Musikvideo in Leni-Riefenstahl Optik Ende der 2000er Jahre [–> LINK ZUM VIDEO]. Ich war wirklich fassungslos angesichts der offenen Anlehnung an die nationalsozialistische Ästhetik der Olympiade 1936. Dass es Rammstein damals gestattet wurde, zu behaupten, es sei nur eine “Anlehnung” als Riefenstahls arische Sportoptik und unterliege der Kunstfreiheit, ist aus meiner Sicht einer der grossen Kunst- und Kulturskandale in Deutschland nach 1990. Rammstein hätte einfach für eine längere Zeit geächtet werden müssen – statt dessen internationalisierte sich die Band und wurde zum deutschen Metallica-Äquivalent.

Gesellschaftlicher Umgang mit non-konformen Kunst-Persönlichkeiten

Ehrlich gesagt ist mir die Band egal, von mir aus kann sie sich auflösen, und hätte dieses auch schon vor 15 Jahren machen können. Was mich aber umtreibt ist der gesellschaftliche Umgang mit Künstlerinnen und ihrem nonkonformen Verhalten, der jetzt wieder hochploppt. Ich hab in den letzten Jahren immer wieder Momente, an denen ich fassungslos davor stehe, wie in der deutschen Öffentlichkeit mit “nonkonformen Kunst-Persönlichkeiten” umgegangen wird.

Beispiel: ein Mann spielt in Filmen auf Grund seiner aufgedunsenen Haut immer wieder Alkoholiker-Charaktere und nach 20 Jahren kommt dann raus: er ist nicht nur im Film Alkoholiker, sondern auch im Alltag und “alle sind schockiert”. Da schnall ich irgendwie ab, wenn ich das Gefühl habe, Leute blenden so etwas wie äußere Gesundheitsschäden aus und verlagern Leute nur noch in ihre Fantasiewelt.

Nächstes Beispiel: Leute, gerade Männer, werden in Hollywood in krasse Machtpositionen versetzt und zu Götzen des Boulevard erklärt – und irgendwann kommt raus: sie haben das Ticket immer wieder eingelöst und sich wie die letzten Wichser verhalten. Leute genötigt, belästigt, geschlagen, gedemütigt. Auch hier: der Schock, dass die “nette Spielfilmfigur” sich nicht in den Alltag übersetzen lässt.

Und dann: der Sänger einer Band, nennen wir sie spaßeshalber “Rammstein”, der in seiner bisherigen Karriere auf alles geschissen hat, und zwar literally vom ersten Tag an, hat ein patriarchales System sexueller Gefügigkeit, Abhängigkeit und Dominanz um sich herum etabliert. No way – er war doch nur so dominant und kacke in seiner Kunst, sein “wirkliches Ich” muss doch “Normalitätsstandards” einhalten. No fucking way Leute, wer mit gesellschaftlicher Anerkennung für eine wüste Persönlichkeit und Geld für ehrlich gesagt, behämmerte und peinliche Mucke ausgestattet wird, der geht dann auch steil und hält sich für Gott.

Die “Autonomie der Kunst” und ihr Alltagsbezug

Für die von Lindemann belästigten, genötigten, verprügelten und vergewaltigten Mädchen und Frauen* tut es mir natürlich schlicht und wirklich leid, was ihnen passiert ist. Aber ich finde, eine basisdemokratische Gesellschaft darf nicht so tun, als wäre sie mit ihrer Popkultur, dem hierarchischen Ikonenkult und abgespalteten Kunstwelten nicht zentral dafür verantwortlich, dass solche Sachen passieren.

Ich weiß, dass alle Diskussionen dieser Art eine riesige Grauzone sind. Darf jetzt niemandem mehr getraut werden, die*der aggressiv auftritt, z.B. gegen soziale Ungerechtigkeit? Nein, aber ich finde, der Star-Kult birgt einfach die riesige Gefahr, dass sich ein bestimmter öffentlicher non-konformer Habitus in egozentrische Anspruchshaltungen im Alltag übersetzt, die dann mit Geld blendend untermauert werden können. Und der von Kunstszenen und dem Kulturbetrieb stillschweigend über Jahre totgeschwiegen und mitgetragen wird.

Hier ist social media wirklich eine riesige Errungenschaft, weil die früher abgespulten, bigotten “Bestürzungsdiskurse” von Managements, Künstler*innen-Kolleg*innen und Presse über etwaige “aus dem Ruder laufende” Künstler*innen sofort von szeneinternen (Film, Musik, Bildende Künste usw) Diskursen unterlaufen werden, die klar machen, dass eben alle, die was zu sagen hatten, Bescheid wussten. Und einfach die Fresse gehalten und in aller Ruhe abkassiert haben.

Aus meiner Sicht ist es die politische Aufgabe von persönlichen und professionellen Umfeldern, Leute wie Lindemann frühzeitig in die Schranken zu weisen, wenn der Übersprung vom Star-tum in den Alltag stattfinden. Ob mit privat gesprochenen Worten, öffentlichen Distanzierungen ohne direkten öffentlich einsehbaren Anlass oder roher “freundschaftlicher” Gewalt müssen Leute in ihren jeweiligen Beziehungskonstellationen entscheiden.

Für Kunst als emanzipatorisches Bildungsangebot

Was jedoch inakzeptabel ist, und das ist der Punkt, an dem die deutsche Kulturlandschaft meines Erachtens heute steht, ist das Desinteresse an Popkultur-Persönlichkeiten und ihrem Verhältnis zum Alltag. Letzterer muss jedoch die Maßgabe für die Entwicklung von Kunst und Kultur sein – will diese nicht zum gesellschaftlich gepamperten Arschloch-tum verkommen. Denn wer es nicht schafft, zu schreiben, zu singen oder zu filmen, ohne andere parallel oder zum Ausgleich gegen ihren Willen zu demütigen, hat aus meiner Sicht in solchen Jobs nichts verloren. Sondern sollte sowas wie Gärtnern machen, wo keine menschlichen Existenzen gebrochen werden.

Und wer wie Lindemann in der Auseinandersetzung um das Riefenstahl-Video keinerlei Rücksicht auf den Erinnerungsdiskurs an den deutschen Nationalsozialismus und den Holocaust zeigt, sondern “einfach sein Ding durchzieht” – dem ist aus meiner Sicht mit Skepsis zu begegnen, was seine Fähigkeit zu Empathie angeht. Danger Dan würde sagen, “Mensch das ist doch alles von der Kunstfreiheit gedeckt”, was stimmt. Aber es zeigt eine harte egozentrische Egal-Haltung, die schon an sich und kunstimmanent rücksichtslos z.B. gegenüber Holocaust-Überlebenden ist.

Und die eben Gefahr läuft, sich als narzistische Persönlichkeiten auch soweit im Alltag zu verstetigen, dass “Künstler*innen” anfangen, sich zerstörerisch gegenüber anderen Leuten in ihren näheren privaten und beruflichen Umfeldern zu verhalten.

Dies ist dann zwar von keinem Kunstfreiheitsbegriff mehr gedeckt, denn es gibt zurecht keine offizielle Kunstfreiheit, andere Leute zu Gesellen des eigenen Egos zu erklären und diese rücksichtlos abzurichten und zu benutzen. Ein solches Verhalten bezieht aber seine Legitimation – neben massiven wirtschaftlichen Einnahmequellen für die direkten beruflichen Umfelder – aus den öffentlich betonten, “künstlerischen Fähigkeiten” der jeweiligen Kunst-Person, ihren “kreativen Potentialen” und “genialen Einsichten”, die zerstörerisches Verhalten im Alltag angeblich “akzeptabel” und “hinnehmbar” machen sollen.

Im Kern handelt es sich hier jedoch um das Abfeiern eines aggressiven, egozentrischen Non-Konformismus, oder anders: um schlichtes, gesellschaftlich gefördertes Arschlochverhalten. Wer es ernst meint mit linker Subkultur und Kunst als non-konformem, kollektiv organisiertem und emanzipatorischem Kommunikations- und Bildungsangebot muss ein solch professionaliertes Ego-Shooter-Tum, meist von Männern*, und damit das Bild “non-konformer Künstlerpersönlichkeiten” mit egozentrischem und patriarchalem Gestus, grundlegend attackieren, um andere Verhältnisse ermöglichen. Geschieht dieses nicht, sind “Skandale” wie der jetzige um Rammstein und Till Lindemann eben keine Skandale, sondern absehbare, sich wiederholende Folgen einer Popkultur, der es primär um Geld, markante Images und rücksichtlose Gewinne in der digitalen Aufmerksamkeitsökonomie geht.

Crowdfunding: Reisekosten zum Frauen*-Fußballmatch „PichangaFem goes Vatican“

Vor kurzem wurde mir über einen Messenger-Verteiler der Crowdfunding-Aufruf von PichangaFem FC, einem feministischen Frauen*-Fußballteam aus Neukölln (–> HIER DER TEAM-AUFTRITT AUF INSTAGRAM), weitergeleitet, die Geld für die eigenen Reisekosten zu einem Freundschafts-Auswärtsspiel gegen ein Frauen*-Team des Vatikans im Juni sammelt. Ich muss sagen, dass ich auf den ersten Blick sehr überrascht war, denn wer fährt freiwillig in den Vatikan, um da zu bolzen? 😉

Die Fragen hörten auch beim zweiten drüber Nachdenken nicht auf: legitimiert es nicht konservative Akteure wie den Vatikan, wenn mensch gegen diese Fußball spielt? Und ist es nicht ein harter Widerspruch, als feministische Akteurin aus Berlin gegen den Vatikan anzutreten, wenn dieser doch feministische Selbstbestimmungsrechte wie das Recht auf Abtreibung und Gleichberechtigungsansprüche im Hinblick auf die sexuelle Orientierung und Identität offensichtlich mit Füßen tritt?

Heimlich fragte ich mich zudem, ob bei dem Neuköllner-Team nicht doch einige tiefgläubige Christinnen mitspielen, die das Duell gegen das Frauen*-Team vom Vatikan primär deshalb bestreiten wollen, um die „internationale christliche Zusammenarbeit“ unter dem Deckmantel des Sports voranzutreiben ;-).

Ich habe diese Fragen in kurzer Form an die Person geschickt, die den Crowdfunding-Aufruf im Messenger-Verteiler weitergeleitet hatte, und bekam eine zügige Antwort, die wie die längere Crowdfunding Mail, die bereits vorlag, verdeutlichte, dass sich die Pichangas intern ebenfalls kritisch mit der Einladung und den damit einhergehenden Implikationen auseinandergesetzt hatten.

„Wir sind eine extrem diverse Gruppe mit starken Menschen, deren Herkünfte und Identitäten sehr verschieden sind. Viele haben familiäre Wurzeln in Lateinamerika, andere in den USA oder eben in Deutschland. Wir haben ein klares antirassistisches und queer-feministisches Bekenntnis und es spielen z.B. immer wieder auch Transpersonen unter uns. [Auch sind viele] in unserer Gruppe von Diskriminierung betroffen, sind politisch nicht repräsentiert und haben besondere Herausforderungen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Ausgerechnet unsere bunte Truppe wurde nun von einem befreundeten Berliner Fußballverein eingeladen, im Juni in Rom gegen die Frauen-Nationalmannschaft des Vatikans zu spielen. Gerade weil wir ein sehr diverses, internationales und politisch interessiertes Team sind, war und ist es aufgrund der Positionen des Vatikans unter uns kontrovers, ob wir die Einladung annehmen sollten. Zwölf von uns haben sich dafür entschieden, da wir für positiv halten, dass der Vatikan überhaupt eine Frauenmannschaft hat und wir vorziehen, unsere Werte und unsere Diversität auf dem Platz zu zeigen.“.

Die Antwort auf meine Fragen lautete also internationalistische-queerfeministische Solidarität. Und darin der Mut zur Differenzierung, also „den Vatikan“ nicht als konservative, homogene Einheit zu betrachten, sondern als umkämpften politischen Raum, in dem progressive Akteurinnen wie das dortigen Frauen*-Fußball-Team in aller Ambivalenz und wahrscheinlich auch Differenz unterstützt werden können.

Da ich beides sehr überzeugend fand, hab ich mich entschlossen, im Sinne des „you never walk alone“ des FC St. Pauli selbst das Crowdfunding von PichangaFem durch Verbreitung des Crowdfunding Aufrufes hier zu unterstützen. Ihr könnt das auch machen, entweder indem ihr hier auf der Crowdfunding-Seite [–> LINK] direkt Geld spendet oder indem ihr den Crowdfunding Aufruf selbst weiterverbreitet. Momentan (Stand 22.5.23) sind 5.169 Euro von angestrebten 8.000 Euro zusammen – ich hoffe, der Rest findet sich bis Anfang Juni  ;-).

Digitalisierung und linke Elternschaft

Fundstück: dieser Informationsbrief ist das Beste, was ich seit langem zum Thema Digitalisierung und linke Elternschaft an Bildungsmaterial gelesen habe. Spricht viele Fragen und Themen an, die ich in Privatgesprächen in meinem Umfeld immer wieder höre, zu Themen wie Handynutzung, welche Inhalte erlaubt sind, was mit Mediennutzungszeiten ist usw..

Perspektivisch hätte ich auch Lust, ein linkes Bildungsmodul zum Thema “Wie wünsche ich mir die Digitalisierung meines Kindes?” zu erarbeiten, das diese Fragen aus emanzipatorisch-alltagsbezogener Perspektive aufgreift, und konservative und neoliberale Deutungs-und Erziehungsmuster in die Wüste schickt.

Das wäre nicht nur ein individuelles und kollektives Empowerment linker Elternschaft im Alltag, sondern hätte gesellschaftspolitisch den zusätzlichen Effekt, den Konservativen und Neoliberalen das Thema “Kinderschutz” auf dem Feld Innere Sicherheit zu entreissen.

Dies beinhaltet aus meiner Sicht, konservative Erziehungskonzepte wie die Überwachung (des Kindes), Repression (schwarze Pädagogik und Verbote) und Totschweigen (von Sexualität und gesellschaftlichen Gewaltverhältnissen) ebenso grundlegend in Frage zu stellen wie die neoliberal-kapitalistischen Ermächtigungsdiskurse um das “produktive Kind” und die “produktiven Monitoring-Eltern”.

Im Gegensatz dazu brauchen wir basisdemokratische, links-emanzipatorische Bildungs- und Erziehungskonzepte im Umgang mit Digitalisierungsprozessen. Ich finde solche Initiativen wie auf dem Foto sind ein sehr guter Anfang.

Linke Medienkiste #39

Frauen*-Fussball-WM im TV

Sehr guter Kommentar zur bisher nicht erfolgten Vergabe der TV-Rechte für die Frauen*-Fußball-WM in zwei Monaten. Klar, Infantino ist ein krasser, aaliger Patriarch, aber was sich ARD und ZDF da leisten (Gebot: 5 Millionen), ist wirklich unterirdisch:

“Zur Einordnung: Fünf Millionen Euro bezahlen ARD und ZDF, ohne mit der Wimper zu zucken, für ein Länderspiel der Männer. Fünf Millionen Euro wären nur zwei Prozent von dem, was die Anstalten 2022 für die Rechte an der Männer-WM ausgegeben haben (214 Millionen Euro, siehe Grafik). Eine ganze WM der Frauen, mit der man das dröge Vormittagsprogramm aufpeppen könnte, ist den Sendern hingegen keine zehn Millionen wert” [–> ARTIKEL]

Klimakrise erwünscht?

Freundlich nachfragend, aber dezidiert auf die Klimakatastrophe hinzuweisen, ist oft schwierig – geht aber anscheinend doch (Foto: Berlin-Xberg). Bin auf die Antworten gespannt.

Queere Selbstbestimmung

Ätzende Entwicklung in den USA: “Ein Bundesrichter hat entschieden, dass er einen Schulbezirk in Mississippi nicht daran hindern wird, von einem Trans-Mädchen zu verlangen, sich zum Highschool-Abschluss wie ein Junge zu kleiden.”

Aber super Gegenreaktion: “»Ich habe das Recht, meinen Abschluss als die zu feiern, die ich bin, und nicht als die, die ich nach dem Willen anderer sein soll«, sagte sie. Ein Anwalt der Familie des Mädchens teilte nach der Gerichtsentscheidung mit, dass sie aufgrund der jüngsten Ereignisse nicht an der Abschlussfeier teilnehmen wird.” [–> ARTIKEL]

Staatliche Kriminalisierung der Klimabewegung

Die neue Berliner GroKo will jetzt untersuchen lassen, ob die “Letzte Generation” eine “kriminelle Vereinigung” darstellt [–> ARTIKEL], was erhebliche Repressionen nach sich ziehen könnte. Schön einmal die law-and-order-Knarre gegen die aktuellen Öko-Proteste durchgeladen – ich glaub, ich spinne.



Staatliche Repression & Überwachung #1

Beim Sammeln der Ereignisse der letzten Tage hatte ich einen Überhang an Nachrichten zum Thema staatliche Repression und Überwachung, weswegen ich mich mal an einer neuen Blog-Unterkategorie versuche.

Repression gegen Seenotrettungsorganisationen im Mittelmeer

Politisch sehr bedauerlich und bitter – die Repression von Staatsorganen geht nicht spurlos an den Gruppen, Organisationen und NGOs vorbei, die die Seenotrettung von Geflüchteten im Mittelmeer organisieren und Menschenrechtsverletzungen durch europäische Polizei- und Militäreinheiten dokumentieren: “Der Verein Mare Liberum hat Menschenrechtsverletzungen dokumentiert. Nun gab er seine Auflösung bekannt. Repression verunmögliche die Arbeit.” [–> LINK ZUM ARTIKEL; –> LINK ZUR AUFLÖSUNGSERKLÄRUNG]

Tagung “Abolitionismus jetzt”

Am 5. und 6. Mai 2023 findet in Berlin die Tagung “Abolitionismus jetzt”, die sich aus linker Perspektive mit der Polizei als Institution auseinandersetzt, und deren herrschaftsförmige Struktur grundlegend hinterfragt. Ein Schwerpunkt sind dabei der der gegenwärtigen deutschen Polizei inhärente strukturelle Rassismus – daneben werden vor allem alternative Konzepte zur Verpolizeilichung sozialer Probleme diskutiert [–>LINK].

Überwachung durch Geheimdienste

Die Enthüllungen von Edward Snowdon sind in diesen Tagen 10 Jahre her. So bahnbrechend diese auch für das gesellschaftliche Wissen um internationale staatliche Überwachung waren, so wenig wurde die Arbeit der Geheimdienste, in Deutschland vor allem der BND, ernst politisch in Frage gestellt und verändert. Die von linker und liberaler Seite an dem Untersuchungsausschuss beteiligten Kräfte haben dennoch die gesammelten Wissensressourcen aus dem Ausschuss gebündelt, und in dem sehr lesenswerten eigenen Online-Archiv “Wer kontrolliert wen” zusammengestellt [–> LINK ZUM ARCHIV].

Umgang mit Gewalttaten von Kindern

Solide Cover-Antwort der Titanic-Redaktion auf den von rechtsradikalen und konservativen Kräften angestrengten repressiven Diskurs um eine Herabsetzung des Alters der Strafmündigkeit von 14 auf 10/8/6 nach von Kindern begangenen Gewalttaten. Tenor: no way – soziale Probleme brauchen soziale Lösungen!

Linke Medienkiste #38

Gedenken an deutschen Nationalsozialismus und NS-Aufarbeitung

Am 7. April ist mit Benjamin Ferencz einer der Ankläger der Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse im Alter von 103 Jahren gestorben. Gerade gestern hatte ich wieder eine Debatte darüber, warum nicht mehr NSDAP-Parteimitglieder und-Funktionsträger*innen nach 1945 angeklagt und verurteilt worden sind. Die Gründe reichen wohl von der Deutschland-Politik der West-Allierten im Kalten Krieg, die in Teilen auf die alten NS-Eliten setzte, über das Weiterbestehen nationalsozialistischer Machtnetzwerke in Staat und Wirtschaft bis zur weitverbreiteten Ansicht in der deutschen Bevölkerung, “alles richtig gemacht zu haben” bzw. “von Hitler verführt worden zu sein”. Umso höher ist das Engagement jener Leute zu bewerten, die diese Selbstwahrnehmung der Deutschen angriffen, die Gräueltaten und perfiden Planungsprozesse der Massenvernichtung recherchierten und schließlich zur Anklage brachten.

Petition gegen Springer-Nachrichten im “Berliner Fenster”

Viele Berliner*innen müssen bei Ubahn-Fahrten die Nachrichten des Springer-Konzerns über sich ergehen lassen, die im sogenannten “Berliner Fenster” angezeigt werden. Gestern diese rechtskonservative Nachrichten-Beschallung wurde nun eine Petition gestartet, die zumindest sich für eine Meinungsvielfalt in Berliner U-Bahnen einsetzt. Denn: “Springer sollte nicht [neben seiner eh schon vorhandenen Meinungsmacht] zusätzlich noch eine derartige Monopolstellung mit seiner Einflussnahme in den U-Bahnen und damit im öffentlichen Raum gegeben werden.”. Die ausführliche Petition findet Ihr hier [–> LINK].

St. Pauli Kongress

Der FC St. Pauli hat in den letzten Tagen angekündigt, Anfang September in Kooperation mit der Fanszene einen Kongress zur Zukunft des Clubs zu machen. Den letzten Kongress dieser Art gab es im Jahr 2009. Momentan gibt es nur einen “save the date” – den Anstoss finde ich aber sehr gut im Sinne einer offenen Mitbestimmungspolitik.

Zum Schluss…

Was Witziges über Gefühle und Party im Neoliberalismus 😉

Zur neokonservativen Politik der Bücherverbote in den USA

Die von Verbänden und Organisationen der Neuen Rechten in den USA seit längerem vorangetriebene Verbotspolitik von Büchern finde ich wirklich hammer-gruselig. Nachdem vor ein paar Wochen berichtet wurde, dass Rosa Parks Autobiographie in einem Bundesstaat verboten worden war [–> LINK], hat es nun eine Graphic Novel über Anne Frank in einem anderen US-Bundesstaat getroffen [–> BERICHT].

Die neokonservative Politik der Bücherverbote ist aus meiner Sicht nicht nur wegen der Ähnlichkeit zur Bücherverbrennungspolitik der deutschen Nazis, sondern auch ganz konkret auf Grund der erfolgreichen Geschichtspolitik der US-amerikanischen Neo-Cons sehr ernst zu nehmen. Diese definiert Sexualität als “anstössig”, empowernde Geschichtsschreibungsprozrsse marginalisierter Gruppen als “übertrieben” und kulturelle Gewaltdarstellungen als reinen “verdorbenen, perversen Exzess”, die mit der Realität nichts zu tun haben.

Im Kern fühlt es sich so an, als hätten die Neo-Konservativen bei ihrer Rollback-Wunsch-Zeitmaschine irgendwas um Mitte der 1970er / Anfang der 1980er Jahre eingegeben, als dann Punk, Rap, Queere Bewegungen, Splatter und andere subkulturelle Strömungen gegen die engstirnig-heimelige Weltsicht der damaligen Konservativen rebellierten.

Was sich momentan in den USA vollzieht – und nebenbei gesagt in Deutschland von der AfD und Teilen der CDU ebenfalls positionstreu aber bisher meist erfolglos vertreten wird (siehe u.a. die Ankündigung der Berliner CDU im letzten Wahlkampf vor ein paar Wochen, das Anti-Diskriminierungsgesetz abschaffen zu wollen) – bedeutet zum einen für die kulturellen Emanzipationskämpfe marginalisierter Gruppen und unterschiedlicher sozialer Bewegungen einen herben Rückschlag.

Genauso leid tun mir aber alle Aufwachsenden, die sich jetzt wieder in ihrer politischen Sozialisierung durch eine rechte Verbotspolitik durchwühlen müssen, um der schwachsinnigen Geschichts- und Realitätsdeutung der Neo-Konservativen zu entkommen.