Ich schaue nun seit mehr als 1 Woche die Frauen-WM und bin wirklich begeistert. Coole Spiele, das Niveau ist nun auch in der Breite der teilnehmenden Teams auf Top-Niveau – technisch, taktisch, körperlich alles top: es macht voll Spaß zuzugucken.
Gleichzeitig wird in der zunehmend von Frauen* gestalteten Berichterstattung in den Öffentlich-Rechtlichen deutlich, dass der Frauen-Fussball über viele Ex-Spielerinnen auch eine Reihe von “Expertinnen” herausgebildet hat, die sich voll gut auskennen und ausdrücken können.
“Born for this”, eine Langzeit-Doku-Serie über das doitsche Frauen-Team in der ZDF-Mediathek (–> LINK) zeigt, dass die jetzigen jüngeren Spieler*innen richtige Fussball-Atzen sind, die abwechselnd rumhoolen, kicken und Fussi-Sprüche machen. Was Atzen halt so machen…
In der Elite hat sich der Frauen-Fussball damit so professionalisiert, dass mensch eigentlich von Gleichberechtigung sprechen könnte. Wenn da nicht die mangelnde Öffentlichkeit, Anerkennung und Bezahlung wäre. Zwar hat das gestrige Spiel des doitschen Team gegen Kolumbien mehr Leute erreicht als abends der “Tatort” (–> ARTIKEL) – aber in “born for this” beschreiben mehrere Spielerinnen die schizophrene Abwechslung zwischen großen, medial sehr präsenten Turnieren wie WM und EM seinerseits und dem öffentlich weitgehend unbeachteten Frauen-Bundesliga-Alltag sehr gut. Der aktuelle Diskurs scheint zu sein: gehts ums den nationalistischen Auftrag sollen fussballspielende Frauen* gut sichtbar sein – sonst im professionaliserten oder amateurorientierten Alltag nicht.
Klar,es ändern sich Sachen, wie dass die Öffentlich-Rechtlichen und der Sender Sport1 in der kommenden Frauen-Bundesliga-Saison 32 Spiele im Free TV zeigen, und damit nicht alle Spiele in der Bezahl-Nische von DAZN laufen wie bisher. Oder dass einige Spielerinnen lukrative Werbeverträge bekommen, so dass es auch eine in Ansätzen vergleichbare materielle Anerkennung der eigenen Leistungsstärke gegenüber männlichen Kickern gibt.
Aber die Wahrheit ist weiterhin auch, dass sich die doitschen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten im Poker um die WM-Senderechte bis 8 Wochen vor der WM geweigert haben, der FIFA mehr für die gesamte (!) Frauen-WM zu bieten, als sie sonst für ein (!) Freundschaftsspiel der Männer-Mannschaft zahlen. Durch diese respektlose Haltung war komplett unklar, ob die WM 2023 überhaupt im Free-TV gezeigt wird, was de-facto eine Infragestellung der Existenzberechtigung des Frauen-Fussballs in Deutschland war.
Noch grösser wird dann der Abgrund, wenn mensch die Spiele anschaut, und dann hört, was sich dort so an Gender-Interpretation durch die Kommentator*innen tummelt. Eine Schiedrichterin habe das Spiel souverän im Griff – was aber “natürlich” sei, schliesslich sei sie schon “dreifache Mutter”. Und auch in Bezug auf die Spielerinnen schwingt oft ein überraschter Unterton mit, “wie gut” denn diese nun seien. Als wäre es in gewisser Form “verrückt”, dass Frauen* – wenn sie ab dem frühen Mädchenalter fußballerisch gefördert werden – im Erwachsenenalter zu hochprofessionellen Sportlerinnen werden, die ihr Spiel und alles damit Verbundene kennen und können.
Ich weiss, gegenüber den Vorurteilen aus den 80ern und 90ern, die schlicht patriarchal behauptet haben, dass “Frauen kein Fussball spielen können”, ist das schonmal ein Fortschritt. Aber der Geist der Unterdrückung und Entwertung schwingt meines Erachtens immer noch mit, und muss weiterhin diskursiv angegriffen und endgültig zerstört werden.
Dazu gehört meines Erachtens auch, den Leistungsgedanken im aktuellen Frauen-Fussball offen in Frage zu stellen. Denn die Strategie, durch Leistung und Leistungssport darauf “aufmerksam” zu machen, dass “Frauen auch Fussball spielen können”, beinhaltet aus meiner Sicht viel zuviel Verständnis für pauschale, patriarchale Abwertung und ist vor allem exklusiv. Weil sie nur für jene Frauen funktioniert, die zeigen, “was sie spielerisch und leistungsmässig können”.
Ein inklusives Verständnis von Fussball müsste eigentlich eher darauf setzen, dass alle das Recht haben, zu spielen, egal wie gut. Und dass geschlechterdiskriminierende Abwertung und vor allem Vergleiche “mit den Männern” immer wieder in die Wüste des Status Quo führen, weíl der Frauenfussball in Deutschland eine eigene Entwicklungsgeschichte hat, die bereits zu genug Benachteiligungen von Frauen geführt haben.
Ein selbstbewusster geschlechtersensibler Ansatz müsste meines Erachtens eher nach jenen politischen Forderungen suchen, die dem professionellen Frauen-Fussball im Hier und Jetzt die Anerkennung gibt, die ihm meines Erachtens zusteht. Gleichzeitig muss die übergreifend dominante Frage “Wie gut (im Vergleich zu Männern) kann diese und jene Frau Fussball spielen” zumindest im Jugend- und Amateurbereich ersetzt werden – durch ein einfaches Mitspielangebot, dass Engagement, sportliche Entwicklung und Krafteinsatz für Jede und Jeden offen lässt.
Vielleicht lautet daher die emanzipatorische Frage zum Komplex Fussball und Gender, warum Männer und an patriarchalen Diskursen orientierte Personen es so schlecht gelernt haben, mit Frauen zusammenzuspielen oder deren Fussball-Spiel einfach mal nicht sofort patriarchal zu normieren und zu kommentieren.