Staatliche Repression und Überwachung #3

Innere Sicherheit in der BRD: Kriminalitätskonstruktionen im TV

Regina Schilling hat unter dem Titel “Diese Sendung ist kein Spiel. Die unheimliche Welt des Eduard Zimmermann” für das ZDF eine sehr sehenswerte 90-minütige Doku über die TV-Sendung “Aktenzeichen XY” produziert, die in der BRD über lange Zeit eine wichtige Referenz für den Diskurs über Innere Sicherheit war.

Die neu produzierte Doku hinterfragt anhand der ausgestrahlten TV-Fälle die Vorstellungen von Innerer Sicherheit ab den 1960er Jahren in der BRD: was, wer oder welche Entwicklungen haben die Bürger*innen und insbesondere Frauen laut der XY-Sendung besonders bedroht? Wie konnten sich Bürger*innen demzufolge “selber schützen”? Und was waren tendenziell “selbstgefährdene Handlungen” – insbesondere von Frauen – die diese Sendung unterschwellig anprangerte? Doku bitte gerne schauen [–> LINK ZUR SENDUNG]

Partnerschaftliche Gewalt gegen Frauen in Partnerschaften

Während die konservative Debatte um sexualisierte Gewalt ihren Fokus auf sexualisierte Übergriffe im öffentlichen Raum und “unbekannte”, meist rassifizierte “Täter” legt, die von den Sicherheitsbehörden verfolgt werden müssten, verschwindet so partnerschaftliche sexualisierte Gewalt oft unter dem Deckmantel des “Privaten”. Dabei sprechen allein die in Deutschland gemeldeten Fälle partnerschaftlicher patriarchaler Gewalt eine deutliche andere Sprache.

Im Jahr 2022 wurden laut Zeit Online 157.000 Fälle partnerschaftlicher Gewalt gemeldet: 40 Prozent von Ex-Partner*innen, 60 Prozent von aktuellen Partner*innen. Die patriarchale Dimension ist dabei eindeutig: die Opfer waren zu 80% Frauen, die Tatverdächtigen zu 78% Männer.

Die führt zu folgenden gegenwärtigen Verhältnissen in Deutschland: “Alle 45 Minuten wird statistisch gesehen in Deutschland eine Frau Opfer vollendeter oder versuchter gefährlicher Körperverletzung durch Partnerschaftsgewalt. Jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch Gewalt ihres Partners oder Ex-Partners. Diese offiziellen Zahlen und Statistiken zeigen jedoch nur einen Ausschnitt. Expertinnen gehen davon aus, dass das sogenannte Dunkelfeld bei häuslicher Gewalt um ein Vielfaches größer ist” [–> LINK ZUM ARTIKEL]

Rechte Strukturen in der Polizei der BRD

Anlässlich der immer wiederkehrenden vermeintlichen “rechten Einzelfälle” in der deutschen Polizei lohnt es sich, eine vertieften Blick auf die Geschichte der Polizei in Deutschland seit Anfang des 20. Jahrhunderts zu werfen, also in Weimar, dem deutschen Nationalsozialismus und der BRD der Nachkriegsperiode. Der Politikwissenschaftler Wolf-Dieter Narr widmet sich der Frage autoritärer Bedingungen und rechter Strukturen in der Polizei in einem für die Zeitschrift “CILIP – Bürgerrechte und Polizei” verfassten Artikel von 2009 mit dem Titel “Dunkle Vergangenheit, lichte Gegenwart – Vergangenheitspolitik der bundesdeutschen Polizei”.

Während die Bundesregierung 2001 noch auf einem fundamentalen Bruch zwischen NS-Polizei und BRD-Polizei beharrte, und behauptete: „Das BKA hat keine nationalsozialistische Vergangenheit. Es ist erst im Jahr 1951 gegründet worden” – zeichnet Narr sehr anschaulich die strukturellen, weltanschaulichen und insbesondere beim Aufbau der deutschen Polizei und Geheimdiensten nach 1945 fortbestehenden personellen Kontinuitäten zum NS-Sicherheitsapparat nach. [–> LINK ZUM ARTIKEL]

Was ist Abolitionismus? Part I

Seit ein paar Jahren wird das Konzept des Abolitionismus immer prominenter, sowohl als Bezugspunkt für anti-repressive Bewegungen als auch wissenschaftliche Debatten. Der Deutschlandfunk hat jetzt eine relativ gut zu lesende Zusammenfassung veröffentlicht, die sich mit der antikolonialen Begriffsgeschichte seit Ende des 19. Jahrhunderts bis zur heutigen Infragestellung des rassistisch geprägten Gefängnissystems beschäftigt. Auch wenn bei mir viele Fragen bleiben, finde ich die grundsätzliche Stoßrichtung des Abolitionismus und seine Infragestellens eines Systems des Strafens und Herrschens in einer hochgradig vermachteten Gesellschaft, die jedoch an sich meist nicht hinterfragt wird, sehr gut. [–> ZUSAMMENFASSUNG]

Was ist Abolitionismus? Part II

In diesem Sinne hat die Sozialwissenschaftlerin Vanessa E. Thompson als prominente Vertreterin des Abolitionismus-Ansatzes auch ein lesenswertes und prägnantes Interview gegeben, das auf zentrale, immer wiederkehrende Fragen an den politischen Ansatz des Abolitionismus antwortet [–> HIER].

Ich habe das Ende des Interviews stark gekürzt und kopiere es als Zitat hier rein:

Wie würden Konflikte in einer Gesellschaft ohne Polizei gelöst?

Dem Abolitionismus geht es nicht einzig um die Abschaffung des Bestehenden, sondern vor allem um die Schaffung von etwas anderem. Für die aktuelle Situation gilt: Gefängnisse, Grenzen, Polizei müssen weg, aber auch die Produktionsform, die auf diese Systeme angewiesen ist.

Aber für einen neuen Umgang mit Konflikten und Gewalt braucht es den erwähnten Aufbau sozialer, idealerweise basisdemokratischer Infrastruktur. […] Trotz allem würde es auch in einer abolitionistischen Welt noch ein gewisses Mass an Gewalt geben.

Wie würde mit dieser Gewalt umgegangen?

Grundsätzlich zeigt sich, dass nichtpolizeiliche Methoden viel besser sind, um Menschen aus Gewaltmilieus herauszuholen. […] Es geht darum, Gewaltspiralen anzugehen, anstatt sie einfach weiterzuführen. Das sind langwierige Prozesse, die auch mit Scheitern verbunden sein können. Solche Praktiken werden aber weltweit schon vielerorts gelebt – zum Beispiel mit indigenen Ansätzen, auf die sich Abolitionist:innen beziehen. Diese können die Art und Weise, wie wir gesellschaftlich zusammenleben, radikal transformieren.”