Kritik an anti-muslimischem Rassismus und law-and-order-Politik gegenüber muslimischen Communities

Anti-muslimische Angriffe auf communities und Moscheen

Während in den letzten Wochen primär über die antisemitischen Anschläge auf jüdische Einrichtungen berichtet wurde, fanden zeitgleich auch erneute rechte Anschläge auf muslimische communities und Moscheen in Deutschland statt. Beispielhaft dokumentiere ich hier vier Angriffe aus NRW:

Um aus der gegenwärtigen Konfliktdynamik herauszukommen, ist es m.E. unerlässlich, auf die fortgesetzte anti-muslimischen Angriffe und Stigmatisierungen hinzuweisen.

Demonstrationsverbote und der Kampf um Demonstrationsfreiheit

Seit dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 sind in Deutschland eine Reihe von pro-palästinensischen Demonstrationen im Vorhinein verboten worden. Begründung war, dass es auf den Demonstrationen zu “antisemitischen Äußerungen” kommen könnte. Wie der Soziologe Peter Ullrich jedoch argumentiert, ist diese präventiv-repressive, staatliche Vorgehensweise durch das Versammlungsrecht nicht gedeckt, da sie a) sämtliche Demonstrationsteilnehmer*innen unter einen antisemitischen Generalverdacht stelle und b) selbst wenn nur angenommen würde, dass sich ein Teil der Demonstrationen antisemitisch äußern könnte, dieses kein Verbot gesamter Demonstrationen rechtfertige:

“Das Differenzierungsgebot aus dem Brokdorf-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet die Polizei dazu, selbst bei Gesetzesverstößen eines Teils der Teilnehmer*innen das Demonstrationsrecht der anderen zu schützen. Großflächige Verbote schon im Vorhinein allein aufgrund eines Themas, eines Regionalbezugs oder wegen zu erwartender Wut (so frühere Begründungen) widersprechen dem Versammlungsrecht.

Schließlich kann die Polizei auch reaktiv – und differenziert – einschreiten, falls nötig, oder vorher Auflagen erteilen. Dies gilt gerade bei den hier relevanten Meinungs- und Äußerungsdelikten, denen anders als Gewalttaten durchaus im Rahmen des Differenzierungsgebotes «in Ruhe» polizeilich begegnet werden kann. Auch Palästinenser*innen und Kritiker*innen der israelischen Politik gegenüber den Palästinenser*innen müssen ihren Unmut artikulieren können. Dies ist unhintergehbar in einem demokratischen Versammlungsrecht. Selbstredend sind sie nicht alle Hamas-Unterstützer*innen und Judenhasser*innen.” [–> GESAMTER TEXT]

Law-and-order Politik gegenüber muslimischen Communities: Kritik an Habecks Rede

Wirtschaftsminister Habeck hat am 01.11.2023 ein vielbeachtete Rede zu den aktuellen Auswirkungen des Nahost-Konflikts auf deutsche Innenpolitik gehalten. Ich finde Habecks Rede in Bezug auf Antisemitismus und den Bezug Deutschlands zum Existenzrecht Israels und dem jüdischen Schutzanspruch relativ gelungen – in Bezug auf anti-muslimischen Rassismus jedoch untragbar.

Die von Habeck vorgebrachten, abstrakt-generalisierenden Drohungen mit Knast und Abschiebungen gegen “antisemitische Muslime” sind nicht mehr als rassistisch getragene law-and-order Statements, die den auch ohne eskalierenden Nahost-Konflikt stattfindenden Rechtsruck in der deutschen Migrationspolitik weiter pushen. Solche Aussagen entsprechend in keiner Weise den Grauzonen weiter Teile gegenwärtiger pro-palästinensischer Debatten in Deutschland zwischen Ablehnung der Hamas-Angriffe über die jahrelange Forderung nach einem Ende der Besatzung bis zu Forderungen nach einem Ende der gegenwärtigen Angriffe auf Gaza.

Hinzu kommen von Habeck suggestive und aus meiner Sicht skandalöse “Integrationsangebote” wie “wenn der Staat Euch vor Nazis beschützen soll, dann dürft ihr aber auch keine Juden angreifen”, was grundrechtlich hanebüchen und angesichts der Vielzahl rechter Angriffe auf Muslime auch empirischer Unsinn ist – und dazu eine permanenten Angriffswilligkeit von Muslimen rassistisch unterstellt. Im Umkehrschluss muss nur wenige Jahre nach dem staatlich tolerierten Morden von rassifizierten Leuten durch den nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) vielmehr gefragt werden, welche Lehre Habeck eigentlich aus den Verfehlungen der Verfassungsschutzämter gezogen hat, wenn er solche Sätze formuliert.

Habecks Rhetorik wirkt differenziert und benennt fast alle Topoi des aktuellen Diskurses, incl dem aktuellen antisemitischen Stillhalten der AfD (trotz Gaulands antisemitischem “Fliegenschiss”-Statement zum Holocaust vor ein paar Jahren), sie unterschlägt aber zentral den anti-muslimischen Rassismus, den die AfD und er in seinem staatstragend-drohenden Statement strukturell teilen.

In gewisser Form erinnert Habecks law-and-order Rede an die Positionierung der Grünen zum Kosovo-Krieg Ende der 90er Jahre: damals wurde über “die Lehre aus Ausschwitz: nie wieder Massenmord” die NATO-Kriegsbeteiligung in Jugoslawien legitimiert, jetzt über den Abstosspunkt “Holocaust und Judenverfolgung” eine verschärfte Migrationspolitik und eine rassistische law-and-order-Politik gegenüber Muslimen.